Kino-Fortsetzung "Wall Street" Finanzhai Gordon Gekko kehrt zurück

(RP). Oliver Stone bringt am Donnerstag die Fortsetzung seines Klassikers "Wall Street" in die deutschen Kinos. Investmentbanker Gordon Gekko hat seine Haftstrafe abgesessen und mischt im Krisenjahr 2008 wieder mit auf den Finanzmärkten. Die Klasse des Vorgängers erreicht der Film nicht.

Szenen aus "Wall Street - Geld schläft nicht"
12 Bilder

Szenen aus "Wall Street - Geld schläft nicht"

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Das hat den ersten Teil ausgezeichnet: Er war zutiefst amoralisch, so durch und durch verdorben, dass man sich daran gerieben hat und die Geschichte nicht vergessen konnte und auch nicht die Bilder dieses irren Hochgeschwindigkeitsfilms aus der Gegenwart. "Wall Street" von Oliver Stone kam vor 23 Jahren ins Kino, und seine Hauptfigur Gordon Gekko (Michael Douglas) war die giftigste Versuchung, seit es Raubtierkapitalismus gibt.

Die Szene, in der er mit Hosenträgern über dem Brooks-Brothers-Hemd, mit Zigarre im Haifischgrinsen und natürlich den nach hinten geleckten Haaren über der diamanten glitzernden Skyline von New York in seinem Büro steht und die Welt regiert, ist zur Ikone der 80er Jahre geworden. Der böseste Zauberer im Labor der Finanz-Alchemie war ein zynischer Philosoph der Gier, ein überkultivierter Rückfall hinter die Zeit der Aufklärung, und seine Berechtigung erhielt er allein durch Geld. So sah Banking auf Anabolika aus, das war die Erotik einer entfesselten Wirtschaft.

Stone packt die Dampframme Moral aus

Nun kehrt Gekko zurück, am Donnerstag startet "Wall Street 2 — Geld schläft nicht", aber Oliver Stone wollte diesmal kein Kunstwerk schaffen, sondern einen Leitartikel verfilmen, eine Predigt. Er mag nicht mehr Feuer mit Feuer bekämpfen und die Verworfenheit einiger Weniger in einer abgrundtiefen Story spiegeln. Er will lieber mit der Dampframme Moral in die Köpfe der Zuschauer bimsen. "Ich habe der Kultur des dummen Geldes Vorschub geleistet", sagte er im Interview über "Wall Street I", deshalb musste die Fortsetzung in warmem Schmalz gewendet werden.

Es beginnt humorvoll. Gekko wird aus dem Gefängnis entlassen. Er saß acht Jahre wegen Insiderhandels. Ihm werden seine Habseligkeiten überreicht — Flaschenpost aus der Zeit vor dem Sündenfall: ein wuchtiges Handy und eine goldene Geldklammer, die nichts mehr festhalten darf. Gekko ist unter seinesgleichen geächtet, nicht weil er gesündigt hat, sondern weil er sich erwischen ließ — so was verzeihen die Wölfe dem Wolf nicht.

Aber er beißt zurück. Zeit der Handlung ist das Jahr 2008, der Beginn der Finanzkrise. Gekko schreibt einen Bestseller, er heißt "Gier ist gut", und in der besten Szene der Produktion hält er an der Uni einen Vortrag. "Ihr seid am Arsch", ruft er den BWL-Studenten zu, und dann beschimpft er sie und malt schwarz und fasst deren kleine Leben aus seiner Sicht zusammen: "Ihr seid die Ninja-Generation: kein Einkommen, keine Arbeit, keine Ersparnisse." Er grinst sardonisch, er ist noch einmal der alte Gordon Gekko. "Aber ich weise euch den Ausweg", sagt er. "Ich brauche drei Worte: Kauft mein Buch!" Alle jubeln und greifen zu.

Therapiesitzung zur Familiengeschichte

Leider beginnt nun eine politisch korrekte Familiengeschichte, die Oliver Stone zu der Zeit, da er mit "Platoon" (1986), "J.F.K" (1991), "Natural Born Killers" (1994) und "Nixon" (1995) die Deutungshoheit über die amerikanischen Mythen und Traumata verteidigte, nicht mal mit spitzen Fingern angefasst hätte. Gekkos Tochter Winnie (Carey Mulligan) erwartet ein Kind. Sie arbeitet für eine Non-Profit-Organisation und hat Gekko zwölf Jahre lang gemieden. Sie macht ihn für den Zerfall der Familie verantwortlich und für den Tod des Bruders. Winnies Verlobter Jake (Shia LaBeouf), ein junger Banker, der Investitionen in Umwelttechnologien verkauft, versucht die beiden wieder zusammenzubringen.

Schön ist der Dialog in Gekkos großzügigem Luxus-Apartment mit Blick über Manhattan. Jake: "Wow. Ich dachte, Sie haben kein Geld mehr." Gekko: "Ist doch nur zur Miete." Aber bald schon wird das Herz aus Stahl weich. Gekko, der über den Umweg London wieder mitmischt im Big Business, klickt die Zahlenkolonnen vom Bildschirm und ruft Ultraschallbilder aus dem Bauch der Tochter ab. In endlosen Treffen arbeiten Winnie und Gekko die vergangenen Jahre und die verpassten Möglichkeiten auf, der Film wird zur tränenreichen Therapiesitzung. Schließlich kämpfen alle zusammen für Öko-Energie. Es weht ein Hauch Dickensscher Märchenhaftigkeit über die Weltmärkte. Da tut es einem fast ein wenig leid um den einst so großen Schurken Gekko.

Stone war nie ein Feingeist, aber hier arbeitet er mit allzu schlichter Symbolik. Er inszeniert die Konferenzsäle der Macher als dunkle Höhlen, schneidet kippende Dominosteine zwischen die Szenen, lässt Seifenblasen über dem Central Park platzen und stellt mit Wolkenkratzern den Verlauf des Börsenindex dar. Die Bösen tragen Anzüge und wirken wie gepanzerte Mensch-Maschinen, die Guten kommen leger daher: verletzbar, aber rein.

Stone will in 140 Minuten das gesamte System durchleuchten, Heuschrecken und Opfer, deren Beziehungen untereinander. Er will nicht bloß abbilden, sondern anklagen. Das macht den Film schwerfällig. Ihm fehlt Schärfe, er ist sich selbst genug und braucht den Zuschauer nicht. Er macht nicht hungrig, sondern satt. Die Moral von der Geschichte fasst Gekko zusammen: "Menschen sind verschieden. Gut und schlecht."

Ist richtig, wusste man aber vorher schon.

(RP)
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