"Gone Girl" von David Fincher Meine Ehefrau - verzweifelt gesucht

Es sind irritierende, beunruhigende Fragen, die sich als Leitmotiv durch den neuen Film von Kultregisseur David Fincher ziehen: Kenne ich meinen Ehe-Partner wirklich? Kann ich ihm/ihr vertrauen? Was haben wir uns bereits angetan, und was werden wir uns noch antun?

Fincher, der mit "Gone Girl" den gleichnamigen Erfolgsroman von US-Autorin Gillian Flynn für die Leinwand adaptiert hat, bringt nach Werken wie "Sieben", "Fight Club" oder "The Social Network" nun mit diesem Vermisstendrama einen weiteren Spielfilm ins Kino. Der Regisseur hat das Stück prominent besetzt: In den beiden Hauptrollen zu sehen sind die Britin Rosamund Pike ("Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück") und der Amerikaner Ben Affleck ("Argo").

Ben Affleck in düsterem Thriller "Gone Girl" von David Fincher
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Ben Affleck in düsterem Thriller "Gone Girl" von David Fincher

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Foto: 20th Century Fox

Kennen gelernt haben sich die beiden Autoren bei einer Party, sie küssen sich zum ersten Mal vor einer New Yorker Bäckerei in einem romantischen Nebel aus Zucker: David Fincher zeigt uns die wunderbaren ersten Jahre von Nick (Affleck) und Amy Dunne (Pike) in Rückblenden. Als beide ihren Job verlieren und zudem auch noch Nicks Mutter an Krebs erkrankt, ist es mit der anfänglichen Glückseligkeit bald vorbei. Nick zieht zu seiner Mutter nach Missouri, Amy kommt mit, mehr wider- denn freiwillig.

Das eigentliche Drama aber, von dem "Gone Girl" erzählt, setzt ein am fünften Hochzeitstag des längst schon entzweiten Ehepaares: Amy ist plötzlich verschwunden, es gibt Blutspuren im Haus, Hinweise auf ein Verbrechen. Ist Amy entführt worden? Warum verhält sich ihr Mann so seltsam apathisch, als würde ihn das alles gar nicht berühren?

Fincher ist ein Meister der Inszenierung, das hat er in seinen bisherigen Werken mehrfach bewiesen - ob in seinem Film "Sieben", dem ungemein beklemmenden Thriller um einen von den sieben Todsünden besessenen Serienkiller, ob im so brutalen "Fight Club" (grandios mit Brad Pitt besetzt) oder im wunderbar rasant geschnittenen "The Social Network".

"Gone Girl" ist ähnlich perfekt inszeniert, mit eleganten, die Zeitebenen verbindenden Bildern; zuweilen fast so spannend und unheimlich wie Finchers großartiger "Zodiac". Dass es dem Regisseur gelingt, uns von Beginn an in seinen Bann zu ziehen, liegt auch an der kongenialen Musik von Trent Reznor und Atticus Ross, die auch für die Untermalung von Finchers Film "Verblendung" verantwortlich waren.

Lob gebührt auch diesmal den Schauspielern. Waren es in der Stieg-Larsson-Adaption "Verblendung" ein Daniel Craig und eine Ronney Mara, so sind es nun Ben Affleck und Rosamund Pike, die vor der Kamera zeigen dürfen, was sie können. Wobei Affleck seinen Nick als erschreckend müde wirkenden Ehemann angelegt hat. Pike ist richtig gut als vermeintlich perfektes, immer hübsch anzuschauendes All-American Girl mit einer versteckten, einer dunklen Seite. Amy Dunne ist richtiggehend böse - und Rosamund Pike ein eiskalter Engel. Auch in den Nebenrollen gibt es Glanzlichter, so Kim Dickens, die die streng gescheitelte und sympathische ermittelnde Polizistin gibt.

Vordergründig hat Fincher einfach einen Psychothriller gedreht rund um eine Entführung. "Gone Girl" aber erzählt von viel mehr: von ritualisierten Erregungsmechanismen der amerikanischen Medien, von einer von Finanz- und Wirtschaftskrisen verunsicherten amerikanischen Nation. Von einer für das Selbstbild des amerikanischen Mittelstands wohl immer noch wichtigen Institution namens Ehe. Das Kino, zumal das amerikanische, erzählt gern von Ehedramen und all den Abgründen, die sich zuweilen hinter glatten Fassaden öffnen. Die Abgründe, die sich in "Gone Girl" auftun, sie sind kilometertief.

(RP)
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