"Honig im Kopf" im Kino Hallervorden kämpft gegen das Vergessen

Wie fühlt sich das an, wenn man alles vergisst? "Wie Honig im Kopf", erklärt Didi Hallervorden seiner Enkelin in Til Schweigers Film "Honig im Kopf". Das Alzheimer-Roadmovie ist so humorvoll und pathetisch wie alle Schweiger-Werke.

"Honig im Kopf" im Kino: Hallervorden kämpft gegen das Vergessen
Foto: dpa, dbo fpt

Für Til Schweiger dürfte an Weihnachten wieder das Klingeln der Kinokassen beginnen. Der Filmemacher, der mit Erfolgen wie "Keinohrhasen" oder "Kokowääh" und deren jeweiligen Fortsetzungen Millionen Zuschauer in die Kinos zog, bringt rechtzeitig zum Fest wieder großes Gefühlskino auf die Leinwand. Auch sein neues Werk "Honig im Kopf" ist ein typischer Schweiger - und doch ein bisschen anders. Nicht nur, weil der (nach seinem Geburtstag am 19. Dezember) 51 Jahre alte Schauspieler diesmal nicht die Hauptrolle übernimmt. Der in Hamburg lebende Spezialist für Liebeskomödien geht ein ernstes Thema an - mit viel Humor.

Es ist eine tragikomische Geschichte, die Schweiger diesmal erzählt. Es wird gelacht. Es wird geweint. Es geht um Alzheimer. Was macht die Krankheit mit dem Betroffenen - was mit den Angehörigen? "Mein Opa ist auch an Demenz gestorben. In seinen letzten Jahren habe ich ihn sechs Wochen lang während der Sommerferien gepflegt - und wahnsinnig viel gelacht mit ihm", erzählt der Filmemacher, der auch bei seiner neuen Produktion unter anderem für Regie, Drehbuch (gemeinsam mit Hilly Martinek) und Schnitt verantwortlich ist. "Auch Hillys Vater starb daran, und auch sie hat viele lustige Sachen mit ihm erlebt."

Im Film erkrankt Amandus - und als dieser ein großartiger Dieter Hallervorden (79) - daran. Als sein Sohn Niko (Schweiger), der ohnehin schon Eheprobleme mit seiner Frau Sarah (Jeanette Hain) hat, ihn in ein Heim bringen will, entführt die elfjährige Enkelin Tilda, gespielt von Schweigers jüngster Tochter Emma, den Großvater nach Venedig. "Kinder gehen viel besser mit Alzheimerpatienten um", sagt Schweiger. "Sie sind viel natürlicher und ungehemmter, und sie holen sie in ihrer Welt ab." Wie es auch Tilda bei Amandus gelingt, der immer mehr vergisst und damit Trauriges, aber auch viel Komisches auslöst. Darf man darüber lachen? "Wir haben keine Situation geschrieben, in der man sich über Amandus lustig macht", sagt Schweiger. "Es geht nicht darum, ihn auszulachen - das Publikum soll mit ihm lachen." Tatsächlich schafft er witzige und berührende Momente gleichermaßen. Gerät ein Witz doch mal zu flach, derbe oder daneben, wechselt Schweigers temporeiche Geschichte in schnellen Schnitten oft rechtzeitig zu besonders bewegenden Augenblicken. Hallervorden und Schweigers Jüngste sind ein anrührendes Paar, dem es mühelos gelingt, die Zuschauer auf seine Reise mitzunehmen.

"Mir war es besonders wichtig, keinen Film zu machen, der nur das Grauen dieser Krankheit zeigt - das gibt es alles schon", sagt Schweiger. "Außerdem wollen wir mit unserer Geschichte viele Menschen erreichen." Dafür müsse der Film die Balance hinbekommen: "Er darf nicht nur tragisch sein, sondern muss auch Mut machen und Hoffnung haben - auch wenn diese Krankheit hoffnungslos und unendlich schlimm ist." Alle Situationen beruhten zudem auf tatsächlichen Begebenheiten - Geschichten, die er und seine Crew unter anderem in Pflegeheimen gesammelt hätten.

Die Arbeit am Set verlief dabei nicht immer reibungslos. Hallervorden erzählte jüngst in einem Interview, es habe Ärger gegeben, weil er zwei Szenen zunächst nicht habe spielen wollen. "Dieter und ich hatten Dissonanzen, aber das passiert eben, dass Regisseur und Schauspieler verschiedener Meinung sind", sagt auch Schweiger. "Am Schluss muss der Regisseur dafür sorgen, dass der Film so wird, wie er das möchte - nicht, weil er der Diktator ist, sondern weil er eine Vision hat."

Prominent besetzt - das gehört zu einem Schweiger-Film ebenso wie ein eingängiger Soundtrack mit Pop und Pathos. Mit von der Partie sind etwa Katharina Thalbach, Claudia Michelsen, Schweigers Vorgänger beim Hamburger "Tatort", Mehmet Kurtulus, Schweigers eigener "Tatort"-Kollege Fahri Yardim sowie von der Münsteraner Konkurrenz Jan Josef Liefers. Mit Liefers arbeitete er erstmals seit "Knockin' on Heaven's Door" (1997) wieder zusammen. In jenem Roadmovie gingen die beiden Helden auf eine letzte große Reise vor dem Tod - diesmal ist es für Amandus die letzte und für Tilda eine unvergessliche.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort