Kinofilm aus Frankreich "Jung und schön" erhitzt die Gemüter

Düsseldorf · Der neue Film des renommierten französischen Regisseurs Francois Ozon erzählt von einer siebzehnjährigen Prostituierten. Schauspielerin Marine Vacth ist die meiste Zeit des Films nackt zu sehen. Der Film löst in Frankreich Empörung aus.

"Jung und schön" - ein polarisierender Film
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Neulich hieß es irgendwo, diesen Film könne man nur als Franzose verstehen. Der Autor dieser Zeilen stammt jedoch nicht aus Frankreich. "Jung und schön" heißt die neue Produktion von Francois Ozon, uraufgeführt wurde sie beim Festival in Cannes. Der 45-Jährige ist einer der renommiertesten Regisseure Frankreichs, er drehte die Musical-Komödie "8 Frauen" mit den großen Diven des Landes. Er bewahrte die Deneuve mit ihrer Rolle als tatkräftige Unternehmer-Witwe in "Das Schmückstück" davor, als Denkmal zu versteinern. Und in "Swimming Pool" ließ er Charlotte Rampling und Ludivine Sagnier in einem hochklassigen Erotik-Thriller gegeneinander antreten.

Vier Kapitel

Nun erzählt Ozon von der 17-jährigen Isabelle. Die Jahreszeiten unterteilen die Geschichte in vier Kapitel, jedes wird mit einem wehmütigen Song von Francois Hardy eröffnet. Der Zuschauer begegnet Isabelle in den Sommerferien an der Küste, sie ist mit ihrer Familie dort, und sie erlebt ihr erstes Mal, das indes wenig zärtlich und romantisch abläuft. Daheim in Paris zieht Isabelle alsbald ein Geschäft auf: Sie bietet sich auf einer selbstgestalteten Internetseite an, Männer wählen die abgedruckte Handynummer und verabreden sich mit ihr im Hotel. Zeit hat sie nur am Nachmittag, denn morgens ist Schule, und abends muss sie zurück ins begüterte Elternhaus. Es läuft dennoch gut, die im Kleiderschrank versteckte Brieftasche ist prall gefüllt.

Ozons Film handelt zum einen von dem Leiden der Adoleszenz, vom Verlassensein im Jugendzimmer, da ist er einfühlsam und genau. Zum anderen von der Prostitution, und von hier an beginnt man sich über Ozon zu ärgern. Außerdem ist das ein Film über den männlichen Blick auf Frauen, und nun wird "Jung und schön" unerträglich.

Feministinnen sind empört

Ein Thriller der begeistert
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Ein Thriller der begeistert

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Die Hauptrolle spielt Marine Vacth. Die 23-Jährige gilt als talentiertes Model, man sah sie unter anderem in Anzeigen von Yves Saint Laurent. Sie schreitet mit halb geschlossenen Lidern durch den Film, selbstbewusst, aber melancholisch, von einer geheimnisvollen Sehnsucht getrieben, wie in Trance. Prostitution könnte bei ihrer Isabelle ein Akt des Widerstands sein, sie tut sich und der Familie Gewalt an, ein masochistisches Aufbegehren gegen alle Konvention.

Nun muss man wissen, dass in Frankreich noch heftiger als hierzulande über Prostitution diskutiert wird. Ein Gesetzentwurf sieht vor, den Besuch von Prostituierten strafrechtlich zu verfolgen. Es tobt ein Kulturkampf, prominente Intellektuelle haben sich in einem Magazin zusammengetan und für das Recht auf Freiertum gekämpft, was man vielleicht tatsächlich nur als Franzose nachvollziehen kann, und sie wurden sogleich — ebenfalls in Magazinen — von Feministinnen angegriffen. So geht es hin und her.

90 Minuten Schulterzucken

Francois Ozon bringt nun gewissermaßen den Film zum Politikum ins Kino, aber er bleibt meinungslos, unentschieden, das sind 90 Minuten Schulterzucken. Ozon erklärt nicht, man wird nicht schlau aus seinem leeren Film. "Jung und schön" ist ein Bilderbogen ohne Sinn.

Die Frage, warum sich eine junge Frau als Hure anbietet, mag noch mit dem Verweis auf das Übergangsritual beim Erwachsenwerden beantwortet werden. Aber warum stellt Ozon dieses Geschäft so dekorativ dar? Isabelle wird in Luxus-Hotels gebeten, dezent werden 300 Euro für sie bereitgelegt. Die Männer sind meist gepflegt, einer erniedrigt sie zwar, doch der ist die Ausnahme und kehrt nicht zurück. Ihr Stammkunde ist vielmehr zärtlich und verständnisvoll, die Treffen möchte man als geradezu kulinarisch bezeichnen, und unfassbar ist das süßliche Ende, wenn Isabelle von der Gattin dieses Mannes in den Arm genommen wird. Wer angesichts dieser Bilder von einer Auseinandersetzung mit Prostitution spricht, dürfte Quentin Tarantinos "Django Unchained" für einen Aufschrei gegen die Sklaverei halten.

Marine Vacth meistens nackt

Noch schwerer wiegt der Umstand, auf den kaum ein Rezensent eingeht: Marine Vacth ist die meiste Zeit nackt. Ozon stellt den Körper seiner Hauptdarstellerin aus, obwohl es keinen Grund dafür gibt. Wer nun meint, es gehe immerhin um Prostitution, da sei Nacktheit dringlich, möge zunächst die Frage beantworten, warum Ozon dann nicht auch das Elend zeigt, das dieser Beruf mit sich bringt.

Es gibt in "Jung und schön" einige Referenzen zu Luis Buñuels "Belle de Jour", jenem Film aus den 1960er Jahren, in dem Catherine Deneuve eine Arztgattin ist, die ein zweites Leben als Prostituierte führt. Buñuels Arbeit war verstörend, weil er sich gegen die Moral der Zeit wandte, und das gelang ihm, ohne seine wichtigste Akteurin zu verraten. Ozon tut genau das: Er benutzt seinen Star, er bietet ihn feil. Im Grunde ist das also ein pornografischer Film. In vielen der positiven Rezensionen kann man nachlesen, wie der Film wirkt. Von einer "spektakulär schönen Frau" ist da die Rede, und ein anderer Besprecher jubelt gar: "Ja, sie ist bezaubernd!" Er verspricht, "wir werden noch viel von ihr sehen." Dabei hat Ozon bereits alles gezeigt.

(RP)
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