Neu im Kino "Kreuzweg" erzählt von einem Mädchen in lebensfeindlicher Umgebung

Man weiß es und erschrickt doch, wenn man wieder einmal erlebt, welcher Schrecken hinter der Fassade gutbürgerlicher Anständigkeit lauern kann. Der deutsche Spielfilm "Kreuzweg" zeigt dies anhand einer Familie, die überstreng nach den Regeln einer katholischen Priesterbruderschaft lebt.

"Kreuzweg" erzählt von einem Mädchen in lebensfeindlicher Umgebung
Foto: dpa, dbo

Diese Bruderschaft lehnt alles Moderne, wie Popmusik, Kino und Literatur ab. Die Gläubigen der Gemeinschaft meinen, nur so die Tradition des Glaubens rein bewahren und fortzuführen zu können.

Die Strenge ihres Lebens kann die 14-jährige Maria (Lea van Acken) nicht aushalten. Als sie etwa daran denkt, mit anderen Jugendlichen in einem Gospelchor zu singen, wird sie von ihrer fanatisch gläubigen Mutter hart gerügt. Die leise Andeutung, einen Mitschüler anziehend zu finden, bringt ihr gar den Vorwurf ein, den Glauben und damit Jesus zu verraten. Durch diese und andere düstere Erfahrungen fühlt sich das pubertierende Mädchen derart schuldig, dass sie nur einen Weg der Buße sieht: Sie will sich Gott aufopfern. Die Folgen sind schockierend.

Die Geschwister Anna (32) und Dietrich Brüggemann (38) schrieben das Drehbuch zum Film gemeinsam. Sie teilten die Geschichte in mehrere Kapitel ein.

Jedes der 14 Kapitel hat einen Titel, der an die Passionsgeschichte an die Stationen des Leidensweges, von Jesus Christus erinnert. Die Reihe der Kapitelüberschriften reicht von "Jesus Christus wird zum Tode verurteilt" bis zu "Der heilige Leichnam Jesu wird ins Grab gelegt".

Jedes Kapitel besteht aus einer einzigen Einstellung. Es gibt, abgesehen von wenigen Ausnahmen, keine Kamerabewegung und keinen Schnitt. Die bis zu 15 Minuten langen Episoden laufen wie Akte in einer Theateraufführung ab. Diese formale Strenge mag manche Zuschauer zunächst irritieren. Doch je weiter die Geschichte voranschreitet, umso mehr zwingt sie das Publikum in das Geschehen hinein.

Die Auszeichnung des Films mit dem Silbernen Bären für das beste Drehbuch bei der Berlinale fand von der internationalen Kritik einhellige Zustimmung. Auch Lea van Acken überzeugte, zeigt die während der Dreharbeiten 14-jährige Filmdebütantin doch eine erstaunliche Wandlungsfähigkeit. Mit schlafwandlerisch anmutender Sicherheit gelingt es ihr, die Qualen des Mädchens fühlbar werden zu lassen.

Der Film verzichtet auf jeglichen Kommentar. Diese Beschränkung gibt dem Drama Größe, weitet den Blick über die Erzählung hinaus und lässt "Kreuzweg" zur Anklage von Fanatismus jeder Art werden. Religiosität und Glauben an sich werden nicht denunziert.

(dpa)
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