Episodenfilm "Ruhm" Misslungene Bestseller-Verfilmung

Daniel Kehlmanns Bestseller "Ruhm" kommt auf die Leinwand. Während der Roman seinen Charme aus dem Spiel mit dem Zufall bezieht, wirken die einzelnen Episoden im Film konstruiert. Auch Stars wie Senta Berger und Heino Ferch können die Verfilmung nicht retten.

Daniel Kehlmanns Buch "Ruhm" bietet eigentlich keinen Stoff fürs Kino. Der Text wirkt wie eine literarische Pralinenschachtel, darin liegen neun Geschichten, aus denen der Autor seinen Roman zusammensetzt. Kehlmann erprobt das gestaffelte Erzählen, die Figuren tauchen auf und ab, sie kehren an anderem Ort zurück, und immer spielt der Zufall eine Rolle, das Schicksal oder die romantische Ironie. Im Grunde geht es in "Ruhm" mehr um erzählerische Technik als um große Gefühle, die 200 Seiten sind das unterhaltsame Muskelspiel eines Hochbegabten. Jede Story hat einen eigenen Ton und Stil, und das Klingeln des Mobiltelefons ist jeweils das Signal für die Verschiebung der Perspektive.

Die Verfilmung, die schon vor Veröffentlichung des Buches im Jahr 2009 beschlossene Sache war, würde also ein Wagnis werden. Und man kann der Kölner Regisseurin Isabel Kleefeld kein fehlendes Engagement vorwerfen. Sie strich drei Geschichten, arbeitete mit deutschen Schauspiel-Größen wie Senta Berger, Heino Ferch und Matthias Brandt. Die Dreharbeiten fanden in Zürich statt, zudem in Argentinien, Mexiko und der Ukraine.

Dennoch ist das ein zutiefst unbefriedigender Film geworden. Die Episoden werden zerhackt und abwechselnd in ihren Einzelteilen dargereicht. Man sieht also Justus von Dohnányi als Ingenieur, der sich sein erstes Handy kauft. Ihm wurde versehentlich eine falsche Nummer zugeteilt, es ist die des Filmstars Ralf Tanner. Nun klingeln Starlets bei ihm an und wollen sich verabreden, und der zunächst überforderte und schließlich verzückte Mann findet das sehr aufregend. Das ist ja eine Stärke von Kehlmanns Text, dass er nämlich so wunderbare Variationen liefert auf den Wunsch, von einem Leben ins andere wechseln zu können. Das Figuren-Ensemble in "Ruhm" durchschreitet mit Leichtigkeit die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit, das ist der Kniff, man kann es magischen Realismus nennen.

Auf die Leinwand ließ sich diese märchenhafte Tiefe nicht übertragen; es wirkt, als habe Isabel Kleefeld die Vorlage auch an jenen Stellen eins zu eins übertragen, wo sie auf gar keinen Fall beim Nennwert zu nehmen sind.

Am deutlichsten wird das Problem in der Episode, in der Senta Berger als krebskranke Rosalie in die Schweiz fährt, um Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. In dem Zimmer, in dem sie sterben möchte, fällt sie plötzlich aus der Rolle und begehrt auf gegen den Erzähler ihrer Geschichte. Sie wendet sich direkt an ihn, und wehrt sich gegen das von ihm auferlegte Leid. Im Roman ist das verblüffend, im Kino schmeckt es nach Postmoderne von gestern.

Seefeld konzentriert sich allzu sehr auf die Wiedergabe der Handlung. Und meistens bleiben die Figuren blass. Der Autor Leo Richter (Stefan Kurt) und seine Freundin, die Ärztin Elisabeth (Julia Koschitz), treten zwar als Paar auf, doch es erschließt sich nicht, was die beiden zusammenhält.

Diese Unverbindlichkeit ist das Manko des Film. Eine der besten Episoden im Roman, das Abenteuer der Krimi-Autorin Maria Rubinstein (Gabriela Maria Schmeide), die in einer postsozialistischen Sowjetrepublik verloren geht, weil der Akku ihres Handy leer ist, läuft einfach am Zuschauer vorbei: Ein vergessenes Ladekabel mag nicht hinreichen für solch existenzielles Verwehen. Und auch die Geschichte des Filmstars Ralf Tanner (Heino Ferch), der durch eine technische Panne aus seinem Leben geworfen wird, mutet nach dem Lüften des phantastischen Schleiers arg ausgedacht an.

Bei Kehlmann, dessen Bestseller "Die Vermessung der Welt" sich allein in Deutschland 1,4 Millionen Mal verkaufte, ist die Unwirklichkeit des Erzählten Stilmittel. Der Film verzichtet auf sie und enttarnt die literarische Vorlage. Der leere Raum zwischen den Buchstaben ist bei Kehlmann so wichtig wie das Geschriebene selbst. Nun stehen die Zeichen nackt da und machen keinen Spaß mehr.

Bewertung: 2 von 5 Sternen

(RP)
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