Filmkritik zu "Noah" Schwach sind sie, diese Menschen

Nach monatelanger Wartezeit kommt nun das biblische Blockbuster-Epos "Noah" von Regiestar Darren Aronofsky in die Kinos. Ein guter Kinofilm ist dabei entstanden, der erhoffte gigantische Wurf bleibt dem US-Amerikaner aber versagt.

 Regisseur Darren Aronofsky gilt Kritikern zumindest zeitweise als Wunderkind.

Regisseur Darren Aronofsky gilt Kritikern zumindest zeitweise als Wunderkind.

Foto: dpa, Jason Szenes

Die Filmographie von Darren Aronofsky liest sich wie eine einzige Erfolgsstory: Nach mehreren Kurzfilmen präsentierte er Filmliebhabern das gefeierte Indepent-Meisterwerk "Pi — Der Film", mit seinem Folgewerk "Requiem for a Dream" durfte er dann die großen Leinwände international erobern. Es folgten "Black Swan" und "The Wrestler": Die Filme des US-Amerikaners wirken wie eine Auswahl der kontemporären Filmgeschichte — wäre da nicht "The Fountain".

Das Fantasy-Epos war ein ambitioniertes, bildgewaltiges und (pseudo-)intellektuelles Werk, und wollte so gar nicht in das bisherige Beuteschema des Regisseurs passen, sowohl Kritiker als auch Kinogänger waren gespalten. "Meine Idee bei 'The Fountain' war, die Zuschauer mit Effekten, Eindrücken und Schönheit zu bombardieren, so dass sie gar nicht merken, dass sie sich mit etwas so Düsterem wie dem Tod beschäftigen sollen. Dabei ist mir vielleicht die Balance entglitten", gab Aronofsky in einem Interview mit dem "Spiegel" vor wenigen Jahren zu.

Viele Kritiker behaupten seitdem sogar, dass dem Harvard-Absolventen die wirklich großen Epen nicht stehen würden, er sei am besten, wenn er sich mit den Abgründen kleiner Schicksale beschäftige. Tja, und nun kommt "Noah".

Deutliche Sozialkritik

Für Gesprächsstoff sorgte das Bibel-Epos schon vor der Veröffentlichung: Arabische Staaten hatten den Streifen für die hiesigen Kinos verboten, man dürfe "Allahs Botschafter Noah" nicht bildlich darstellen. Größere Aufreger blieben ansonsten auch nach den ersten veröffentlichten Kritiken in den USA aus.

Das liegt vor allen Dingen an der zunächst getreuen Wiedergabe der Bibelgeschichte: Noah (Russel Crowe) wird von Albträumen, die Erde darin wiederum von einer Flut heimgesucht. Nach einen Besuch seines Großvaters Methusalem (Anthony Hopkins) wird ihm klar: Die Erde soll von der in Sünde lebenden Menschheit gereinigt werden, Noah und seine Familie (u.a. Jennifer Connelly und Emma Watson) wurde von Gott auserwählt, von jeder Tierrasse ein Paar zu retten.

Was Aronofsky mit seinem neuen Werk verdeutlichen will wird bereits mit den ersten Minuten klar. Während Crowe den nominellen Hauptdarsteller gibt, ist für den Regisseur und seinen Drehbuchkollege Ari Handel im Grunde genommen die gesammelte Menschheit der eigentliche Protagonist des Films. Alles dreht sich um den Homo sapiens.

Die Menschen sind schlecht

Und so wirkt "Noah" geradezu wie ein Anti-Helden-Film. Menschen sind schlecht und viel zu leicht zu verführen, so die klare Message des Werks. Der grandiose Ray Winstone als Tubal-Kain, dem das Böse aus allen Poren fließt, ist das passende Sinnbild dieser Gesellschaft.

Aronofsky zeichnet damit eine sinnige Parabel zu dem Hier und Jetzt, eine klare Kritik am Kapitalimus wird deutlich. "Wir nehmen nur das, was wir brauchen", rügt Noah seinen Sohn zu Beginn des Films, als der eine Pflanze aus dem Boden gezogen hat. Kommt das bekannt vor?

Erwartungshaltung wird unterlaufen

Das alles inszeniert der US-Amerikaner gewohnt brillant, der Zuschauer ist gefesselt von den eindrucksvollen Kamerafahrten und Panoramen. Wenn Noah und seine Frau Naameh vor dem Sonnenaufgang nur als Schatten zu sehen sind, zaubert "Aronofsky" eine fast ungeahnte Schönheit auf die Kino-Leinwand.

Doch so anmutig die Bilder auch sind, die Aronofsky da auf die Leinwand zaubert - die Dramaturgie des Films lässt den Zuschauer spätestens nach einer Stunde ratlos zurück.

Trotz der (im Nachhinein) klar erkennbaren, typischen Drei-Akt-Struktur wirkt der Film im Kinosaal wie ein Epos über fünf Akte. Denn: Entgegen aller Erwartung setzt die Flut nur den Höhepunkt, danach eröffnet Aronofsky ein Kammerspiel im Inneren der Arche.

Zwar wird dadurch eine differenzierte Charakterisierung der Hauptdarsteller möglich und der Film erreicht eine weitere Ebene, die Spannung ist aber erstmal hin — die Erwartungshaltung der Zuschauer wird schlicht unterlaufen.

Der Regisseur erlebt zwar damit kein erneutes Blockbuster-Debakel wie bei "The Fountain", ein weiteres Meisterwerk ist Aronofsky aber bei weitem nicht gelungen. Das hat das Fantasy-Spektakel von 2006 laut der doch recht großen Fangemeinde "Noah" sogar voraus.

(cfk)
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