Tom Gerhardt als Paradeproll Siegfried: Zum Haareraufen blond

Vom Hausmeister Krause zum Protagonisten der größten deutschen Heldensage: Tom Gerhardt kommt mit seiner Parodie auf das Nibelungenlied ins Kino, spielt aber hier wie im Fernsehen die immer gleiche Rolle: den Paradeproll. Natürlich dürfen auch Running Gags und Schwulenwitze nicht fehlen.

 "Hagen kommt von Versagen" - Dorkas Kiefer als Kriemhild und Volker Büdts als Hagen von Tronje.

"Hagen kommt von Versagen" - Dorkas Kiefer als Kriemhild und Volker Büdts als Hagen von Tronje.

Foto: Constantin

Das Nibelungenlied ist eigentlich nicht zum Lachen. Mit großer Ernsthaftigkeit gehen die Menschen in dem Heldenepos aufeinander los, rauben Gold, töten Drachen, und am Ende sind alle tot. Aber "Siegfried" erzählt nun die angeblich wahre Geschichte von den Geschehnissen am Rhein. Und die Wahrheit ist meistens viel einfacher, als man annimmt: In diesem Fall ist der blonde Recke so blöd, wie es seiner Haarfarbe entspricht, und eine unbesiegbare Frohnatur. Diese Filmgeschichte kann also nur aus der Feder von Tom Gerhardt stammen.

Seit 15 Jahren parodiert der Kölner Komiker schließlich den deutschen Paradeproll, und da liegt es für den studierten Germanisten wohl nahe, an den Ursprung des Übels zu gehen.

In seiner Version schwimmt Siegfried als Baby in einem Körbchen auf dem Rhein. Mime, der Schmied, findet das Kind und nimmt es bei sich auf. Der Wunderknabe kann tonnenschwere Steine stemmen und mit Bären plaudern. Den Menschen geht er allerdings auf Grund seiner Grobmotorik und seines minderbemittelten Gehirns auf den Geist. Eines Tages sieht Siegfried die schöne Kriemhild im Wald und verliebt sich unsterblich.

Er folgt ihr auf die Burg, gewinnt dort ein Ritterturnier und damit ihre Hand, wird vor der Hochzeit auf die Suche nach dem Rheingold geschickt, kehrt mit der gewünschten Beute zurück und kapiert nie, dass zwischenzeitlich ein Dutzend Mordanschläge auf ihn verübt wurden. Hagen von Tronje ist nämlich einfach nur sauer, dass ihm die Frau weggeschnappt wird.

Der inzwischen 48-jährige Tom Gerhardt startete seine Karriere vor 15 Jahren mit einem Fernsehauftritt als asozialer Mofarocker, der in tabulosem Unterschichtendeutsch einen Actionfilm mit Sylvester Stallone nacherzählt. Verlierer mit geringem IQ, aber viel guter Laune sind seither seine Sache. 1994 tappte er als Tommy in "Voll normaaal!" in eine Peinlichkeit nach der anderen, drei Jahre später machte dieser sich nach Mallorca zu "Ballermann 6" auf. Fürs Fernsehen wechselte er 1998 die Rolle und spielt nunmehr in der sechsten Staffel "Hausmeister Krause", einen spießigen Weltverbesserer und Dackelfreund.

In "Siegfried" kehrt Tom Gerhardt wieder zu seinem debil grinsenden Alter Ego zurück, nur dass er ihn in die Zeit um 400 nach Christus platziert.

Running Gags und Schwulenwitze

Diese Masche ist in Mode: Das aktuelle Konzept für deutsche Kinokomödien sieht so aus: Man nimmt eine berühmte Vorlage, engagiert die aus Funk und Fernsehen bekannte Comedy-Szene, baut ihre besten Running Gags und einige Schwulenwitze ein, übersetzt einen Teil des Dialogs in einen regionalen Dialekt. Zwölf Millionen Menschen haben "Der Schuh des Manitu" angeschaut, fast sieben Millionen "Sieben Zwerge - Männer allein im Wald". "Siegfried" hakt sich bei beiden ein, denn Bully Herbigs Indianerfilm wurde ebenfalls von Bernd Eichingers Firma produziert und Regisseur Sven Unterwaldt vom jüngsten Otto-Waalkes-Film eingekauft.

In der adaptierten Nibelungensage trifft "Siieschfried" als Baby auf aufgetakelte Blondinen mit aufgeblähten Busen, die Kevin als Namen für ihn zu "assi" finden und von Sascha abraten, weil er dann schwul wird. Dort reden alle Kölsch, "boa", "Wahnsinn", "normaaal" sind die am meisten gebrauchten Ausdrücke. "Hagen kommt von Versagen", reimen sie, und der Bösewicht droht: "Mach' die Mücke oder du kriegst ein paar auf die Zwölf." Dort fungieren Brieftauben als Handys, und der abgelaufene Witz "Hallo, Herr Kaiser" wird überstrapaziert. Dort spielen Kriemhild und ihr Bruder Gunther, der natürlich homosexuell ist, Indiaka. Und ein rosa Ferkel rennt ständig durchs Bild, gibt überflüssige Kommentare ab und hechelt allzu offensichtlich "Schweinchen Babe" hinterher. Warum? Darum! Außerdem: Egal ist 88.

Spätestens in jeder zweiten Szene erstarrt Tom Gerhardts Gesicht in einem dämlichen Zustand - Augen aufgesperrt, Mund verzerrt, Lachfalten tief gefurcht -, so dass man es bald nicht mehr sehen kann. Seine Mitspieler liefern die bessere Arbeit ab: Dorkas Kiefer (Kriemhild) macht zuweilen eine komische Figur, Volker Büdts hat den stechenden Blick des bösen Hagen ganz gut drauf, sein Gehilfe Axel Neumann gibt einen überzeugend besoffenen Alberich, und Daniela Wutte kann als Küchenmagd Anita ohne Worte ihre Gefühle ausdrücken. Tom Gerhardt nennt seinen Film eine "Sommer-Charme-Attacke mit Happy End", wegen der Kindertauglichkeit hat er auf brutale Gags verzichtet. Aber warum es dafür eines solch großen Stoffes bedurfte, bleibt unbegreiflich. "Siegfried" ist keine Parodie, sondern höchstens seichte Unterhaltung.

(ap)
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