"Bridge of Spies" Tom Hanks verteidigt Sowjet-Spion

Düsseldorf · In seinem Agententhriller "Bridge of Spies" erzählt Steven Spielberg von einem aufrechten Anwalt in Zeiten des Kalten Kriegs. Der Film ist ein Plädoyer für die Würde des Menschen - egal ob Freund oder Feind.

Steven Spielberg mit Bridge of Spies im Kino: Tom Hanks verteidigt Sowjet-Spion
Foto: ap

Ist das beruhigend, Tom Hanks wiederzusehen! Diesen rechtschaffenen, soliden, optimistischen Amerikaner, der sich nicht verunsichern lässt vom Chaos in der Welt, sondern nach seinem privaten Glück strebt, unerschütterlich - das personifizierte Selbstvertrauen. Hanks kann diese sonore Zukunftsgewissheit, diese freundlich-bornierte Väterlichkeit ausstrahlen, darum hat Steven Spielberg ihn zum Anwalt einer Botschaft gemacht, die nun eine von Terror verunsicherte Welt trifft: Standhaft bleiben! Auch wenn der Gegner der Freiheit unberechenbar und darum mächtig erscheint, an den Werten der Verfassung, an der Würde des Menschen ist nicht zu rütteln! Und das bedeutet auch: Es kommt auf jeden Einzelnen an, egal ob Freund oder Feind. Und auf einmal ist das nicht mehr nur die Botschaft des linken Hollywood an das eigene Land, sondern auch an das erschütterte Europa.

Dabei erzählt Spielberg eine Geschichte aus einer übersichtlicheren Zeit: 1957, die Welt ist geteilt in Ost und West, die Fronten im Kalten Krieg sind klar und eisenhart, da wird in den USA ein russischer Spion enttarnt: Rudolf Abel ist ein stiller Mensch, ein einsamer Maler, der sich selbst in Öl porträtiert, wenn er nicht gerade Geheimbotschaften in Minikapseln weiterleitet.

Grandios, wie Spielberg in wenigen, wortlosen Szenen selbst ein Bild dieses stoischen, melancholischen Mannes zeichnet und zugleich Motive des Agenten-Genres zitiert. Jedenfalls ist mit Abel ein Staatsfeind Nummer 1 gefasst und landet vor Gericht - Tom Hanks als Rechtsanwalt James Donovan soll ihn verteidigen. Pro forma. Das ganze Land erwartet die Todesstrafe. Undankbare Aufgabe für den Pflichtverteidiger.

Doch Donovan nimmt seine Aufgabe ernst. Weil er die Verfassung ernst nimmt, die noch dem ärgsten Feind einen fairen Prozess garantiert. Das erklärt er auch jenem windigen Typen von der CIA, der ihn zwingen will, seinen russischen Mandanten auszuhorchen. Pathetisch wird Spielberg in dieser Szene, lässt Tom Hanks auf die Verfassung pochen, auf die grundsätzlichen Spielregeln des Einwandererlandes USA, auf das rechtliche Fundament der Freiheit. Doch gerät diese Szene nicht zur bleischweren Lehrstunde in Verfassungspatriotismus, sondern zu einer amüsanten Episode, in der ein standhafter Anwalt seine Überlegenheit ausspielt, gelassen, süffisant, fast heiter.

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Dieser komödiantische Ton herrscht im gesamten Film, was wohl auf das Konto der Drehbuchautoren gehen dürfte, der Coen-Brüder. Auch das Absurde streifen sie gelegentlich. Etwa beim Auftritt von Burghart Klaußner als DDR-Funktionär, der sich mit seinen schwarzen Telefonen verhaspelt, oder in der abenteuerlichen Fahrt von Sebastian Koch, der als korrupter DDR-Anwalt im weißen Sportwagen durch das zerstörte Berlin braust. Fast schon Kasperltheater ist der Auftritt einer von Russland erfundenen Familie des armen Abel. Auch die Mächtigen des Ostens treten als lächerliche Figuren auf, als traurige Polit-Chargen eines Funktionärssystems.

Natürlich geht das zu Lasten der Spannung. Wirklich packend ist diese Agentengeschichte nur in wenigen Momenten. Etwa als ein amerikanischer Pilot in einem Aufklärungsjet über russischem Gebiet vom Himmel stürzt und dem Systemfeind in die Hände fällt. Von nun an steht es 1:1, die Verhandlungen über einen Austausch des amerikanischen Piloten gegen den russischen Spion beginnen. Donovan, der arglose, tapfere Anwalt, soll wieder ran - als unbedarfter Unterhändler. Und wieder werden seine Prinzipien auf die Probe gestellt.

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Foto: Lucasfilm 2015

Die Geschichte, die zu weiten Teilen in Berlin spielt und dort auch gedreht wurde, inklusive Showdown auf der Glienicker Brücke, kommt ohne Finten, ohne Agenten-Raffinesse aus. Spielberg feiert vielmehr die Geradlinigkeit eines Außenseiters, der in ein Machtspiel gerät und sich nicht beirren lässt. Mag er sich im verschneiten Trümmer-Berlin auch verlaufen, sein moralischer Kompass funktioniert.

Das ist simpel. Spielberg lässt die Grenze zwischen Gut und Böse nie verschwimmen, als traue er seinen Zuschauern die Komplexität der Wirklichkeit nicht zu. Doch das hat auch Kraft, denn Spielberg geht es nicht um Agenten-Tricksereien, sondern um den Sieg der Menschlichkeit. Und den Glauben an den Einzelnen, der etwas bewirken kann.

Dazu ist die Geschichte elegant gefilmt von Janusz Kaminski, der auch schon "Lincoln" drehte. Ihm gelingen grandiose Übergänge von einem ideologischen Lager in das andere, weil sich beide in Wahrheit ähneln. Nur ein Vergleich gerät zu plump: Bei einer S-Bahnfahrt durch Berlin beobachtet Donovan, wie Menschen an der Mauer erschossen werden. Nach erfüllter Mission fährt er daheim durch New York, wieder klettern Menschen über einen Zaun, doch es sind Kinder in einem Hinterhof. Die Sonne scheint, keine Schüsse nirgends.

Spielberg war nie ein Regisseur für Zwischentöne. Seine Geschichten sind stets eindeutig und moralisch unzweifelhaft. Man kann das langweilig finden, sie funktionieren.

(dok)
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