Neuer Film "Jack Reacher" Tom Cruise als Rächer der alten Schule

Düsseldorf · Schießereien, Verfolgungsjagden und Tom Cruise als erbarmungsloser Unruhestifter: In "Jack Reacher" ist er eine neue Heldenrolle gefunden. Mit vollem Körpereinsatz stürzt sich der 50-Jährige in die erste Verfilmung einer Krimiserie von Autor Lee Child, die besonders in den USA viele Fans hat.

Auf einem Bein kann man nicht stehen, wird Tom Cruise sich gesagt haben. Die "Mission: Impossible"-Filme laufen zwar immer noch gut, ein fünfter ist in Planung. Aber der ewig jungenhafte Cruise hat im vergangenen Jahr seinen 50. Geburtstag gefeiert, und der allergrößte Kassenmagnet ist er auch nicht mehr — da muss man nach einem weiteren Erfolgsrezept Ausschau halten, so wie einst Sylvester Stallone, der seiner "Rocky"-Reihe die "Rambo"-Serie hinzugefügt hat.

Für sein Publikum ist er von jetzt an nicht nur Ethan Hunt, der unmögliche Missionen erledigt, sondern auch Jack Reacher. Die Figuren unterscheiden sich kein bisschen, jedenfalls nicht in ihrer Darstellung durch Cruise. Lediglich das Konzept des Film ist ein anderes. Es wird mehr nachgedacht als geschossen. Als Vorlage diente "One Shot" (dt. "Sniper", 2005), der neunte "Jack Reacher"-Roman von Lee Child: Nachdem ein Scharfschütze fünf Menschen beim Joggen, auf dem Weg zur Arbeit oder beim Sitzen auf der Bank getötet hat, steht die Polizei vor einem Rätsel, das nur Jack Reacher lösen kann. Hielten sich alle Opfer zur falschen Zeit am falschen Ort auf, oder ist eines von ihnen bewusst gewählt worden? Warum verlangt der Hauptverdächtigte, der seine Unschuld beteuert, dass man Reacher kontaktiert?

Die fünf Opfer werden in kurzen Rückblenden vorgestellt und erhalten ihre Würde zurück, was ihre Tötung umso schmerzhafter erscheinen lässt. Die Anwältin Helen Rodin (Rosamund Pike), die sich für den angeblichen Mörder einsetzt, kommt einer Verschwörung auf die Spur, in die möglicherweise ihr eigener Vater (Richard Jenkins) verwickelt ist, ein Staranwalt, der nur die ganz Mächtigen vertritt. Ein wenig erinnert "Jack Reacher" an die Paranoia-Thriller der 1970er Jahre, in denen man niemandem trauen konnte, am allerwenigsten den Politikern. Bezeichnenderweise ist Jack Reacher kein Teil des Systems mehr, er hat zwar sein Handwerk bei einer Militäreinheit gelernt, doch jetzt kämpft er nur noch allein und auf eigene Faust.

Ein Anti-Held also, fast eine tragische Figur? Nicht bei Tom Cruise. Er führt permanent seine strahlend weißen Zähne vor und ist immer der Sieger. Vor einer Kneipe umzingeln ihn ein halbes Dutzend Männer, alle einen Kopf größer als er, und er macht sie einen nach dem anderen fertig. Er hat nichts von der seelischen Verletzbarkeit, die Daniel Craig als James Bond zeigen durfte, und nichts von Clint Eastwoods Zynismus als Dirty Harry. Der Jack Reacher von Tom Cruise ist ein unbefleckter Held der alten Schule und somit keine sonderlich interessante Figur.

Der Mann scheint sogar keusch zu leben. Als er sich wegen einer leichten Verletzung den Oberkörper frei machen muss, wird die junge Anwältin ganz nervös und bittet ihn, sich ein Hemd anzuziehen — so sieht der erotische Höhepunkt des Films aus. Mehr ist nicht drin.

Es läuft letztlich darauf hinaus, dass die schwache Heldin wiederholt in Gefahr gerät und der starke Held sie retten muss. Die Schurken sind schön fies, da ist man doppelt froh, wenn sie ins Jenseits befördert werden. Unter ihnen befindet sich Werner Herzog, dessen Darstellung das Publikum polarisieren dürfte. Er wirkt dilettantisch, wenn er seine Verbrecherweisheiten von sich gibt, doch er hat auch eine dämonische Ausstrahlung, die unter die Haut geht.

Christopher McQuarrie, für das raffinierte Drehbuch zu "Die üblichen Verdächtigen" (1995) mit dem Oscar ausgezeichnet, debütiert hier als Regisseur. Er bietet, von einer Autoverfolgungsjagd abgesehen, keine spektakulären Stunts, sondern konzentriert sich auf die Charakterisierungen.

Das wirkt im Endergebnis halbherzig: "Jack Reacher" ist spannend, setzt aber keine neuen Maßstäbe. McQuarrie gelingt intelligente Unterhaltung ohne wirklichen Tiefgang. Sein Hauptverdienst besteht darin, den Bekanntheitsgrad von Lee Child vergrößert zu haben.

(RP/sap/csi)
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