Woody-Allen-Film "Blue Jasmine" in den Kinos Zynismus mit einer großen Portion Romantik

Düsseldorf · Es ist mal wieder so weit. Woody Allen bringt pünktlich ein Jahr nach "To Rome with Love" wie selbstverständlich die Tragikomödie "Blue Jasmine" in die Kinos. Der Altmeister outet sich dabei als hoffnungsloser Romantiker.

Der Mann muss eine Maschine sein: 48 realisierte Werke in exakt 47 Jahren, 117 Preise sprangen dabei heraus, vier Oscars nennt er mittlerweile sein Eigen. Der banale Grund der schier grenzenlosen Kreativität des US-Amerikaners: das regelmäßige Duschen. "Dort kommt meist die Inspiration zurück. Duschen gehört zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Manchmal singe ich dabei sogar", verriet er in einem Interview.

Nun gibt es in der Allen'schen Filmographie zahlreiche Werke, die vor Genialität nur so strotzen — man denke nur an "Der Stadtneurotiker" oder "Midnight in Paris". Derweil sind aber auch einige seiner Spielfilme nur bedingt sehenswert ("Im Bann des Jade Skorpions") oder gar schwer zu ertragen ("Anything else"). Eingefleischte Fans müssen aber bei solchen Fehltritten nicht lange verzweifeln — ein neues Werk steht ja meistens wieder in den Startlöchern. Entwarnung, gepaart mit einem Schuss Enthusiasmus, kann man bezüglich des am Donnerstag in den Kinos anlaufenden "Blue Jasmine" (Film #48) geben.

Gute Chancen auf einen Oscar

Großen Anteil daran hat Hollywood-Superstar Cate Blanchett: Die 44-Jährige dominiert die 98 Minuten im großen Stil, allein durch ihre schlichte Präsenz. Nur in einer Handvoll von Szenen ist sie nicht zu sehen, in den restlichen brilliert sie in der Rolle des nervlichen Wracks Jasmine. Diese kommt für unbestimmte Zeit bei ihrer Adoptivschwester Ginger (auch großartig: Sally Hawkins) in San Francisco unter, ein schweres Los für die luxusverwöhnte Protagonistin — Ginger hat zwei Kinder, ist geschieden, arbeitet als Kassiererin in einem Supermarkt und ihr Freund ist ein recht prolliger Italo-Amerikaner.

Wie es bei Jasmine zu dem Bruch mit dem schwerreichen und nicht allzu vertrauenswürdigen Ehegatten Hal (Alec Baldwin) in New York - wo sonst? - kam, wird derweil in Rückblenden erzählt. Im Hier und Jetzt, an der Westküste der USA, verzweifelt sie jedoch regelmäßig. Seien es grandios scheiternde Blind-Dates oder die Wahl des neuen Berufs. Bei letzterem entscheidet sich Jasmine für einen Computerkurs — um online Innenarchitektur zu betreiben.

Vergesst mir die Liebe nicht!

Solch kuriose Szenen wechseln in Allens neuem Werk mit tragischen Höhepunkten, in das Derbe verfällt "Blue Jamsine" aber nie. Zu zynisch, zu beiläufig inszeniert der Regisseur Blanchetts Tour-de-Force. 'That's life', beschweren kannst du dich ruhig, aber erwarte bloß kein Mitleid.

Eben jener Zynismus wird besonders in der Darstellung der Beziehungen offenbart. Hier wird gelogen, betrogen, die Partner werden ad acta gelegt und Affären begonnen. Ein trauriges Sittenbild des 21. Jahrhunderts entsteht dadurch.

Damit ist Allen aber mit seiner Sozialkritik noch lange nicht am Ende. Auch die verschiedenen Klassensysteme werden durchleuchtet. Wie schon in "Match Point" geht es hier um den Aufstieg und Untergang des Protagonisten. In Blue Jasmine werden jedoch die verschiedenen Klassen weitaus konkreter gegenübergestellt. Allen thematisiert sowohl naturalistische und realistische Aspekte und lässt die Figuren gekonnt aus ihrem eigentlichen Leben ausbrechen oder eben nicht. Außerdem fokussiert er sich auf die Frage, was entsteht, wenn solch unterschiedliche soziale Schichten aufeinandertreffen? Allens Antwort ist brutal: Eine Katastrophe. Beide zerstören sich geradezu.

Dass es dennoch Spaß macht, den Charakteren bei diesem Verfall zuzuschauen, liegt an deren Vielschichtigkeit. Es gibt in "Blue Jasmine" keine Schwarz-Weiß-Malerei, keinen Kampf zwischen Gut und Böse. Fast allen Figuren kann der Zuschauer etwas Positives abgewinnen, zeitgleich werden aber auch ihre eklatanten Schwächen dargelegt.

Selbst dem Altmeister kommt der Zuschauer ein wenig näher: Der 77-jährige Zyniker entpuppt sich gegen Ende des Films unverhofft als hoffnungsloser Romantiker. Denn letztlich, so die Aussage des Regisseurs, sollte ja doch die Liebe siegen.

(csi)
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