Königinnen im "Schloss aus Glas"

Die Verfilmung des Buches von Jeanette Walls wirkt arg überladen.

Diese Frau passt nicht in diese Umgebung: Jeanette Walls, um die 30 Jahre alt und Journalistin in New York, sitzt mit ihrem Verlobten und dessen Geschäftspartner im Edelrestaurant. Der Abend schleppt sich mit bemühtem Small Talk dahin und am Ende sagt Walls dem Kellner, dass sie nicht nur die Reste auf ihrem eigenen Teller gerne mit nach Hause nehmen möchte - er solle doch auch bitte gleich die der gesamten Tischgesellschaft mit einpacken. "Ist nur Spaß", sagt da ihr indignierter Partner. "Nein, ist es nicht", entgegnet Walls. Es ist eine vielsagende Szene, die den Ton für die folgenden zwei Stunden Familienbiografie setzt.

In Rückblenden erzählt "Schloss aus Glas" wie die populäre Buchvorlage von Jeanette Walls das Leben von Walls: Ein alkoholkranker Vater und eine Mutter, die sich mehr für ihre Gemälde als für ihre Kinder interessiert, schleppen sich und vier Kinder durch die USA. Sie sehen sich als Freigeister und wollen den Sprösslingen lieber in selbst gewählten Projekten als in staatlichen Schulen das Leben nahe bringen - ihnen fehlt aber das Gespür dafür.

Doch leider ist aus dieser Mischung zwar ein ausreichend unterhaltsamer, aber leider weder ein berührender noch ein besonders nuancierter Film geworden. Nie wird das deutlicher als in der überladenen Titel-Metapher: Immer wieder plant der Vater mit seinen Kindern das "Schloss aus Glas", einen fantastischen Ort, an dem die Familie eines Tages leben soll. An einer Stelle beginnen sie sogar, ein Fundament auszuheben, doch es wird schließlich mit Müll zugeschüttet, das Schloss wird nie gebaut.

Schloss aus Glas, USA 2017 - Regie: Destin Daniel Cretton, mit Brie Larson, Woody Harrelson, Naomi Watts, 127 Min.

(dpa)
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