"J. Edgar" kommt ins Kino Leonardo DiCaprio spielt FBI-Chef

Düsseldorf · In dem Film "J. Edgar" porträtiert Clint Eastwood den FBI-Direktor J. Edgar Hoover, der die Bundespolizei-Behörde 50 Jahre leitete. Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio gelingt eine fesselnde Charakterstudie, doch beschäftigt sich der Film wenig damit, wie das FBI Amerika verändert hat.

Als erstes lässt J. Edgar Hoover seine neuen Mitarbeiter antreten wie Schuljungen. Auf dem Flur müssen sie sich zum Spalier aufstellen. Dann schreitet der neue Chef der amerikanischen Bundespolizei-Behörde an seinen Männern vorbei, begutachtet deren Anzüge, Schnäuzer, Frisuren. Vor einem bleibt er stehen. Der Mann ist modisch gekleidet, wagt dann noch einen Scherz, schon ist er entlassen. Hoover verlangt Konservatismus in Gesinnung wie Kleidung und absolute Loyalität. Endlich ist er Chef einer Behörde. Jetzt will er sich einen Kader schmieden, Amerika von den Kommunisten befreien. Es ist das Jahr 1924. Für Hoover ist es an der Zeit, eine moderne, schlagkräftige Polizeitruppe für die gesamten USA zu installieren. Es ist Zeit für das FBI.

Clint Eastwood liebt Geschichten, die von starken Charakteren handeln, von harten Männern, die noch von Gut und Böse, von Moral und Sünde sprechen und Zimperlichkeit verachten. Er kann solche Typen selbst grandios spielen. Das hat er in jungen Jahren als "Dirty Harry" und im Alter als Boxtrainer in "Million Dollar Baby" oder als knurriger Veteran in "Gran Torino" bewiesen. Doch diese Vorstellung sollte die letzte des Schauspielers Eastwood sein. Seit 2008 führt er nur noch Regie und hat sich jetzt die Lebensgeschichte des berüchtigten FBI-Chefs vorgenommen. Solche Typen inszenieren kann Eastwood auch.

J. Edgar Hoover hat die amerikanische Bundespolizei 1924 übernommen und aus der gerade einmal 650 Mann starken Abteilung eine mächtige Ermittlungsbehörde gemacht, die sich moderner Methoden wie der zentralen Erfassung von Fingerabdrücken bediente. Zugleich ließ Hoover über hohe Persönlichkeiten im eigenen Staat Informationen sammeln, die er für die eigenen politischen Zwecke nutzte. Mit seinen gefürchteten Geheimdossiers soll er bis hinauf zum Präsidenten Druck ausgeübt und den Ausbau seiner Behörde vorangetrieben haben. Auch deswegen konnte er sich wohl unglaubliche 48 Jahre im Amt halten. Acht US-Präsidenten von Calvin Coolidge bis Richard Nixon hat er überdauert.

Nun ist ein solcher Lebenslauf beeindruckend, und man kann darin Zeitgeschichte abspulen von den Massenverhaftungen amerikanischer Kommunisten in den 1920er Jahren über den Zweiten Weltkrieg bis zur Bürgerrechtsbewegung. Doch Biopics sind in Hollywood so erfolgreich, weil sie Zeitgeschichte mit Psychologie verbinden, mit menschlichen Motiven und Emotionen. Und so macht sich auch Eastwood daran, den enormen Eifer des Machtmenschen Hoover zu ergründen und nach den Brüchen in seiner Karriere wie in seinem Charakter zu suchen. Und er hat mit Leonardo DiCaprio einen Darsteller, mit dem er das kann.

DiCaprio zeigt Hoover als einen brillanten, aber zutiefst unsicheren jungen Mann mit dominanter Mutter. Die streicht ihrem Sohn schon als Kind über den Kopf und sagt: "Du wirst der mächtigste Mann Amerikas werden." Dieser Anspruch begleitet Hoover wie ein Fluch. Es ist DiCaprios Leistung, aus seiner Figur trotzdem kein jämmerliches Muttersöhnchen zu machen, sondern einen seltsam selbstsicher auftretenden Mann mit stillem Größenwahn. Dieser Hoover musste sich sein Selbstvertrauen so hart erkämpfen, dass er das rechte Maß schon früh verlor. DiCaprio zeigt den Typus des gedemütigten Außenseiterkindes, dem keine andere Wahl bleibt, als ein harter Hund zu werden. Und er zeigt das erstaunlicherweise in der Art, wie er den erwachsenen Hoover spielt.

Außerdem greift der Film Gerüchte über die Homosexualität Hoovers auf, der immer bei der Mutter lebte, nie heiratete und einen Assistenten hatte, der ihn ein Leben lang begleitete. Die Spannung zwischen konservativer Überzeugung, Rigorismus in moralischen Fragen und Neigungen, die dem eigenen Weltbild widersprechen, ist auch die Spannung dieses Films. DiCaprio kann sie über eine lange Lebensspanne halten. Schade nur, dass Hollywoods Maskenbildner nicht auf seine schauspielerischen Qualitäten vertraut haben. Dann hätten sie ihn und Armie Hammer als seinem Gefährten im Alter nicht mit derart runzligen, graubestaubten Kunstmienen verunstalten müssen.

Schade auch, dass Eastwood zwar sehr viel Verständnis aufbringt für den unerbittlichen FBI-Mann und eine fesselnde Charakterstudie vorlegt, aber keine gefühligen Bilder für dessen Opfer übrig hat. Da taucht mal in einem Gerichtssaal Emma Goldman auf, eine Anarchistin und Friedensaktivistin, die Hoover ausbürgern ließ. Doch das ist nur eine herrische Frau mit schmalen Lippen, die kaum Mitgefühl weckt.

Eastwood stellt keine Fragen danach, wie Hoover Amerika durch die verbissene Perfektionierung seiner Bürgerüberwachungs-Techniken verändert hat. In den USA setzte sich nach Hoovers Tod ein negatives Bild des FBI-Chefs durch, weil er eben nicht nur die Sicherheit seines Landes im Blick hatte, sondern den Erhalt seiner Behörde auch als Selbstzweck betrieb. Mit allen Mitteln.

Davon erzählt Eastwood zwar, doch mit einem latenten Ton der Bewunderung, von Haudegen zu Haudegen. Dirty Harry hätte dieses Biopic sicher gefallen.

(RP)
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