Premiere von "Breaking Dawn" Lust und Ewigkeit: Das Phänomen "Twilight"

Düsseldorf · Die Liebesgeschichte von Bella und Edward wird nächste Woche im Kino fortgesetzt. Die Verfilmungen der Vampir-Saga sind besser als die Roman-Vorlagen. Aber der neue Film "Biss zum Ende der Nacht" wird es schwer haben, das Niveau der Vorgänger zu halten.

"Breaking Dawn": Twilight-Stars feiern Premiere
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Die meisten Menschen, die nicht 16 Jahre alt sind und weiblich, mögen die "Twilight"-Reihe nicht besonders. Man könnte die Abneigung verstehen, wenn es allein die Roman-Vorlagen von Stephenie Meyer geben würde. In vier Bänden erzählt die 37 Jahre alte Amerikanerin, die der Glaubensgemeinschaft der Mormonen angehört, die Geschichte des Mädchens Bella Swan. Sie zieht zu ihrem Vater in eine neue Stadt. In der Schule lernt sie einen gut aussehenden Jungen kennen, sie verlieben sich ineinander. Das ist einerseits schön, andererseits problematisch: Dieser Edward ist nämlich ein Vampir und bereits 108 Jahre alt.

Jeder braucht mal Herzschmalz

Die Bücher sind voll mit Sätzen wie diesem: "Ich werde um dich kämpfen, solange dein Herz schlägt." Solche Worte werden auf Blumenwiesen gesprochen, der Körper des Vampirs funkelt dann, das tut er immer, wenn ein Sonnenstrahl auf seine Haut fällt. So etwas ist kitschig, aber nicht schlimm, jeder braucht manchmal Herzschmalz. Ernst wird es hingegen, wenn es um die Gedankenwelt der Hauptfigur geht: Die Bella aus den Büchern fragt sich, warum ein so attraktiver Mann wie Edward sie lieben könne, ausgerechnet sie, die doch nicht hübsch sei.

Die Roman-Serie, die mit "Biss zum Morgengrauen" beginnt, wird von Band zu Band unheimlicher. Allerdings nicht, weil irgendwann auch Werwölfe ihren Auftritt haben. Vielmehr hadert der Leser mit der Sicht der Autorin auf die Welt. Das Verhältnis zwischen Mann und Frau, Sexualität vor der Ehe, der Wert des Menschen: Das sind Themen, die mit — nett ausgedrückt — wenig Modernität verhandelt werden.

Bis hierhin ist also durchaus nachzuvollziehen, warum vor allem Eltern das Phänomen "Twilight" nicht uneingeschränkt toll finden. Zum Glück gibt es die Verfilmungen, deren vierte Lieferung nächste Woche ins Kino kommt. Wer sie nicht kennt, sollte es nachholen und sich den von Catherine Hardwicke inszenierten ersten Teil ansehen. Diese Leinwand-Adaption aus dem Jahr 2008 ist zeitgemäß, stilbildend sogar, und sie gewährt Einblick in das Geheimnis des Erfolgs.

Ebenso wichtig wie die Liebesgeschichte ist Hardwicke die Atmosphäre, in der sie erzählt wird. "Twilight" spielt im Städtchen Forks nahe der kanadischen Grenze. Das Wetter ist schlecht, es regnet viel, die Feuchtigkeit hängt den Menschen in der Kleidung und drückt aufs Gemüt. In Hardwickes Film und auch im von Chris Weitz verfilmten zweiten Teil von "Twilight" sehen die Dinge aus, als habe man ihnen die Farbe von der Oberfläche gewaschen. Der Schauplatz wird gesäumt von himmelhohen Bäumen, ein Forst umgibt ihn, und darin lebt die Gefahr, das Chaos, der Trieb. Im Wald werden Kämpfe ausgetragen, Gut streitet mit Böse, und immer geht es um das Leben und die Liebe.

Alle Lust will Ewigkeit

Natürlich ist das symbolisch: Wenn du erwachsen wirst, musst du hinaus; du musst in den Wald. Die Macher der Filme, der ersten beiden Teile zumindest, haben den Mut, die Romane Stephenie Meyers frei umzusetzen. Man kann die Wirkung der Filme nicht erklären, wie man die Bücher zu erklären versucht: Es geht hier nicht so sehr um Vampirismus — oder doch nur so weit, wie es in "Dirty Dancing" ums Tanzen geht. Im Mittelpunkt stehen die Liebe, die sich gegen Widerstände behaupten muss, und die Hoffnung auf Dauer: Alle Lust will Ewigkeit.

Bella, die von Kristen Stewart gespielt wird, zieht sich die Ärmel des Pullovers über die Fäuste und sieht aus, als fröstele sie immerzu. Aber im Vergleich mit dem Rollenprofil, das die Romane vorgeben, ist sie stärker und sich stets ihrer selbst bewusst. Sie bietet sich geradezu an zur Identifikation. Bella muss sich zwischen dem domestizierten Vampir Edward (Robert Pattinson), der mehr Batman ist als Dracula, eher Retter als Beißer also, und dem fürsorglichen Werwolf Jacob (Taylor Lautner) entscheiden. Auch diese Optionen sollte man nicht allzu wörtlich nehmen, sondern als Sinnbilder.

Überhaupt treiben die Filme die Ästhetisierung eines Gefühls auf die Spitze. Man kann sie als romantisierende Zustandsbeschreibungen einer Lebensphase begreifen, sie nähern sich dem, was man hierzulande etwas ratlos Pubertät nennt und in England und Amerika treffend als "Coming of age" bezeichnet. "Twilight" im Kino, das sind Bilder vom Erwachsenwerden, und das schönste Bild finden die Zuschauer in Teil zwei.

Da sitzt Bella im Sessel und schaut aus dem Fenster. Sie hat Edward seit einiger Zeit nicht gesehen. Die Kamera umkreist das Mädchen, draußen wechseln die Jahreszeiten, und immer wenn die Kamera am Ausgangspunkt angekommen ist, wird der Name eines anderen Monats eingeblendet: "Oktober", "November", "Dezember". So fühlt sich Liebeskummer an, wenn man 16 ist.

Teeniemädchen als mächtige Zielgruppe

"Twilight" ist das neue Beispiel für die Macht der Jugendkultur. Was früher mittels Musik oder Kleidung zum Ausdruck gebracht wurde, konzentriert sich heute im Bild des schwärmenden Vampirs. Das Neue daran ist der weibliche Blick. Pop war in den vergangenen Jahrzehnten ein männliches Phänomen, im Kino zumal, aber inzwischen haben sich die Verhältnisse verschoben. Drei Viertel der "Twilight"-Zuschauer sind weiblich: "Teeniemädchen regieren die Welt", sagte Paul Dergarabedian, Präsident der Boxoffice-Analysefirma "Media By Numbers", als er die Quote vorgelegt bekam. Und es ist das Verdienst der Filmemacher, dass sie ihre Zielgruppe ernst nehmen.

Bleibt zu hoffen, dass sie es weiterhin tun. Teil drei, "Biss zum Abendrot" von 2010, ließ bereits erahnen, dass die Nachfolger das Niveau nur unter Mühen werden halten können. Die Story wird so krude, dass Effekte die Defizite überdecken sollten. Horror-Elemente machten aus dem Highschool-Drama einen Actionreißer mit unreflektiert pathetischen Kitschunterbrechungen. Im Finale der Tetralogie nun heiraten Bella und Edward, und sie bekommen ein Kind.

Wer Stephenie Meyers Text gelesen hat, wünscht den Regisseuren Mut und Menschenverstand für die Herausforderung. Es steht nicht weniger auf dem Spiel als die Ewigkeit.

(RP/top/das/rai)
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