"Magical Mystery" im Kino Wilde Tour durchs Techno-Land

Düsseldorf · Psychiatrie-Patient kutschiert durchgeknallte DJs: Charly Hübner glänzt in der Sven-Regener-Verfilmung "Magical Mystery".

 Szene aus dem Film "Magical Mystery" mit Charly Hübner, Marc Hosemann, Bastian Reiber, Jacob Matschenz, Detlev Buck, Leon Ullrich und Sarah Bauerett ((v.l.).

Szene aus dem Film "Magical Mystery" mit Charly Hübner, Marc Hosemann, Bastian Reiber, Jacob Matschenz, Detlev Buck, Leon Ullrich und Sarah Bauerett ((v.l.).

Foto: dpa, sab

"Manchmal bewegt sich einer nicht, aber deshalb ist er noch lange nicht tot", sagt Charlie, als der Alligator aus der Starre heraus plötzlich nach dem Fisch schnappt. Aber eigentlich spricht er hier über sich selbst.

Charlie (Charly Hübner) hat sich seit fünf Jahren nicht mehr aus seiner kleinen, klar umgrenzten Welt der therapeutisch betreuten Drogen-WG herausbewegt. Ab und zu mal ein heimlicher Ausflug in die Eisdiele zwei Straßen weiter, und selbst dafür muss er sich beim Plenum rechtfertigen.

"Nur ein Espresso ohne Zucker" lügt er den Betreuer (Bjarne Mädel) an und drückt seine Zigarette im überfüllten Aschenbecher aus. Die Regeln sind streng, Gefahren lauern überall. Und die Angstzustände, die mit Psychopharmaka gerade so unter Kontrolle gebracht wurden, sind eine stete Bedrohung. Man kann sich kaum vorstellen, dass der schwere, große Langsamsprecher in der aufkommenden Berliner Technoszene ein Partytiger und vielversprechender Künstler war. Mit den Drogen kam ausgerechnet am Tag der Maueröffnung der Absturz, und seitdem lebt Charlie ein Leben in der Warteschleife.

Aber dann taucht Raimund (Marc Hosemann) aus dem Nichts in der Eisdiele auf. Der Kumpel aus der Techno-Szene betreibt zusammen mit Freund Ferdi (Detlev Buck) einen Club und ein Plattenlabel, mit dem sie stinkreich geworden sind. Aber all der Erfolg, das viele Geld und das "Washington-Post-mäßige" Firmenbüro langweilt die Techno-Pioniere. Sie wollen wieder zurück zu den Wurzeln und mit einem Kleinbus voller befreundeter DJs auf "Magical Mystery"-Tour gehen. Ihnen fehlt nur noch ein Fahrer, der keinerlei Drogen zu sich nimmt. Und so fährt Charlie statt zur Kur in die Lüneburger Heide zu den Freunden nach Berlin.

Kreuz und quer kurvt die Techno-Combo durch Deutschland von der Behinderten-Disco in Schrankenhusen-Borstel bis zum Messehallen-Rave in Essen. Um acht Uhr morgens zieht Charlie den Stecker, schleppt die zugedröhnte DJ-Gang aus den Clubs, bringt sie ins Hotel und chauffiert sie nach ein paar Stunden Schlaf zum nächsten Gig. "Ihr seid doch so Techno-Typen. Ihr steht doch drauf, wenn sich alles wiederholt. Macht ihr einfach noch einmal Hafenrundfahrt und Fischessen", rät eine Hamburgerin den vergnügungssuchenden Touristen. Damit wird durchaus selbstironisch nicht nur das musikalische Sujet charakterisiert, sondern auch das Problem des Films benannt. Denn in "Magical Mystery" setzt Regisseur Arne Feldhusen, der hier Roman und Drehbuch von Sven Regener ("Herr Lehmann") verfilmt, auf Redundanz als Erzählprinzip.

Das ist anfangs noch komisch, wenn die DJ-Bande gleich dreimal hintereinander denselben Weg zum selben China-Nudel-Laden zurücklegt, führt aber im Verlauf der Tour von Stadt zu Stadt zunehmend zu gewissen Langatmigkeiten. Es ist ja ein weit verbreiteter Irrtum, dass es automatisch Spaß machen muss, anderen beim Spaßhaben zuzuschauen. Das gilt in besonderem Maße, wenn Drogen zu Hilfe genommen werden.

Dennoch ist das ein sehenswerter Film, und das ist einzig und allein Charly Hübner zu verdanken. Hübner ist großartig als in sich zusammengefallener Psychiatrie-Patient, der sich wieder ins Leben vortastet. Mit fein reduzierter Mimik spielt er die medikamentös abgedämpften Emotionen seiner Figur und hält eine Begräbnisrede für ein Meerschweinchen, die einem fast das Herz rausreißt. Gerne hätte man mehr Zeit mit ihm verbracht und seine Freunde ins Bett geschickt.

"Magical Mystery" - Deutschland 2017, Regie: Arne Feldhusen mit Charly Hübner, Detlev Buck, Marc Hosemann, 111 Minuten

(RP)
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