"Das Auge Hollywoods" Kamera-Genie Michael Ballhaus ist tot

Berlin · Der Kameramann Michael Ballhaus ist tot. Der international bekannte Filmkünstler starb in der Nacht zu Mittwoch im Alter von 81 Jahren. Er galt als rechte Hand Martin Scorseses.

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Foto: AP/Carlo Fumagalli

Dieser Mann hat uns Bilder geschenkt, und nun, da die Nachricht von seinem Tod die Runde macht, merkt man erstmal, wie viele von ihnen man im Gedächtnis mit sich herumträgt. In "Die fabelhaften Baker Boys" (1989) liegt Michelle Pfeiffer in einem roten Kleid aufs Klavier gegossen da.

In "Goodfellas" (1990) raubt einem die schier endlos erscheinende Kamerafahrt durch Eingang, Küche und Restaurant des Nachtclubs "Copacabana" den Atem. Und in "Die Farbe des Geldes" (1986) wird die Kamera zur Billardkugel und rollt auf Paul Newman zu.

Michael Ballhaus ist tot. Er starb nach kurzer Krankheit 81-jährig in seiner Wohnung in Berlin, teilte sein Verlag mit. Fehlen wird ein feiner Mann, ein Gentleman, den man zuletzt bei der Berlinale vor zwei Jahren erleben durfte, wo er für sein Lebenswerk geehrt wurde. Er war gerade erst heimgekehrt aus Hollywood nach Berlin, er wollte sich zurückziehen, mit seiner Frau, der Regisseurin Sherry Hormann, die Stille genießen. Und als er da saß und mit viel Heiterkeit erzählte, ging einem auf, wie schwer diesen bescheidenen Mann getroffen haben muss, dass er sein Augenlicht fast vollständig verloren hatte. Grüner Star. "Das Auge Hollywoods" wurde er genannt. Nun war er fast blind.

Ballhaus wurde in Berlin geboren. Seine Eltern kamen vom Theater, sein Onkel Carl Ballhaus war der Mann, der Peter Lorre in "M — Eine Stadt sucht einen Mörder" (1931) das "M" auf den Mantel zeichnete. Sein Vater nahm ihn 1955 mit zu den Dreharbeiten von Max Ophüls' "Lola Montez", und da war es um ihn geschehen: Er wollte zum Film.

Zusammenarbeit mit Werner Fassbinder

Ballhaus arbeitete in den 70er Jahren mit Rainer Werner Fassbinder, den er in seiner Autobiografie "Bilder im Kopf" als "schwer gestört" bezeichnet, "unfähig zu einer normalen menschlichen Beziehung". Dennoch drehte er 16 Filme mit ihm, denn das sei Fassbinder eben auch gewesen: ein Genie. Sie haben 1974 "Martha" produziert, wo man erstmals Ballhaus' Markenzeichen sieht: die fliegende Kamera, die Karlheinz Böhm und Margit Carstensen in der berühmten Kreisfahrt geradezu umzingelt. Es sei die Pflicht des Kameramanns, das Gesicht, die Bewegungen und den Körper des Schauspielers zu verstehen, sagte Ballhaus. Er wurde zum Bildkünstler, zum visionären Erneurer. Es gehe stets um Dynamik, sagte er, alles andere sei Foto-Vortrag.

"Gangs Of New York"

Über eine deutsche Produktion, die in den USA gedreht wurde, kam Ballhaus Anfang der 80er Jahre in Kontakt mit Martin Scorsese. Der machte den fast 50 Jahre alten Deutschen zum "Director Of Photography". Er gewährte ihm ein hohes Maß an Autonomie und weite Gestaltungsspielräume. Man kann Ballhaus' Stil denn auch als "selbstbewusste Kamera" bezeichnen. Gemeinsam drehten sie "Gangs Of New York" (2003) und "Zeit der Unschuld" (1993). Ballhaus arbeitete mit Robert Redford, für Francis Ford Coppola richtete er "Dracula" ('92) ein und für Wolfgang Petersen "Air Force One" ('97).

Das ist ein Trost: Wer ihn bei seiner letzten Berlinale traf, sah einen glücklich wirkenden Menschen. Vielleicht ahnte er, wie dankbar man ist für die vielen Bilder.

(hol)
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