Komödie "Mistress America": Einer der Filme des Jahres

Düsseldorf · Tracy ist 18, sie kommt aus der Provinz zum Studieren nach New York, die Stadt, die mehr Einwohner als Menschen hat. Sie will Freunde finden, und deshalb geht sie zu einer Party in ihrem Wohnheim.

 "Mistress America" ist einer der Filme des Jahres.

"Mistress America" ist einer der Filme des Jahres.

Foto: dpa

Sie hört Musik im Flur, sie weiß nicht, ob sie dort richtig ist, deshalb fragt sie eine Kommilitonin, die eine zukünftige Freundin sein könnte: "Ist die Party am Ende des Gangs?" Die Studentin fragt zurück, ob Tracy eine Einladung habe, und als Tracy den Kopf schüttelt, entgegnet das Mädchen, das nun doch keine Freundin wird: "Dann nicht."

So traurig beginnt "Mistress America", einer der herrlichsten Filme des Jahres. Die Stimmung bekommt jedoch rasch eine andere Färbung, denn das Werk ist nach Art von Hollywoods Screwball-Komödien der 30er Jahre gestaltet. Damals trafen zwei ungleiche Personen aufeinander, und sie lieferten sich rasante Wortgefechte. Das war klug und lustig, zerebrales Funkeln, nah an der Farce, und Katherine Hepburn und Spencer Tracy bildeten das Königspaar des Genres.

Freunde, Stil und Überwältigungspotenzial

Inzwischen gibt es wieder ein Paar, das diese Kunstform zur Perfektion führt, sie an die Bedürfnisse der Gegenwart anpasst: Es sind Noah Baumbach, der Regisseur von "Mistress America", und seine Co-Autorin und Hauptdarstellerin Greta Gerwig. Gerwig spielt die 30 Jahre alte Brooke, und die scheint all das zu haben, wonach sich die einsame Studentin Tracy (Lola Kirke) im Wohnheim sehnt: Freunde, Stil und Überwältigungspotenzial.

Die Beiden finden durch einen schrägen familiären Zufall zueinander, und als Tracy das erste Mal bei Brooke anruft, meldet sie sich so: "Hi, meine Mutter wird deinen Vater heiraten." Dazu singt Paul McCartney "No More Lonely Nights". Die künftigen Stiefschwestern mischen fortan gemeinsam die Nächte in Manhattan auf, und sie versuchen, Geld aufzutreiben für das Café, das Brooke eröffnen will: Es soll Treffpunkt der Tollsten sein und so gemütlich, dass niemand auf sein Handy schaut. Und es soll "Mom's" heißen.

Grandiose Leistung Baumbachs

Baumbach wird oft vorgeworfen, seine Arbeiten glänzten durch gute Drehbücher, gäben filmisch aber wenig her. Hier ist alles anders, er choreografiert seine dem Leben abgelauschten Dialoge geradezu, und die großartigsten Szenen spielen im Haus von Brooks Ex-Freund, dem potenziellen Geldgeber.

Es ist, als stelle Baumbach mehrere Pingpong-Platten nebeneinander und lasse zur selben Zeit jeden gegen jeden spielen, und zwar mit nur einem Ball, und der Ball ist die Sprache. Sätze zischen hin- und her, sie entlarven ihre Absender und vergiften die Empfänger. Am Ende hat Brooke verloren, und der Sieger ist die Wahrheit: "Deine Jugend ist gestorben, und du trägst ständig den Sarg mit dir herum."

In Baumbachs Filmen, in "Greenberg", "Frances Ha" und "Gefühlt Mitte zwanzig" geht es um Menschen, die vorgeben, etwas zu sein und nicht halten, was sie versprechen. Auch Brooke ist so eine Figur. Nichts an ihr ist echt, das stellt sich bald heraus, sie ist gescheitert, aber dieses Scheitern ist so amüsant anzusehen, so faszinierend zu hören und im Kern so menschlich, dass man sich kaum eine schönere Niederlage wünschen könnte.

(hols)
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