Nelson Mandela war zu groß für diesen Film

Regisseur Anant Singh wagt in "Mandela – Der lange Weg zur Freiheit" die große biografische Erzählung. Sie gelingt nicht.

"Mandela: Der lange Weg zur Freiheit"
8 Bilder

"Mandela: Der lange Weg zur Freiheit"

8 Bilder

Regisseur Anant Singh wagt in "Mandela — Der lange Weg zur Freiheit" die große biografische Erzählung. Sie gelingt nicht.

Das war ein tragischer Tag. Während der Londoner Premiere von "Mandela — Der lange Weg zur Freiheit" erfuhren Mandelas Töchter Zindzi und Zenani, die im Publikum saßen, über Handy vom Tod ihres Vaters. Auf beider Bitte ging die Vorführung weiter. Nach dem Abspann betrat Produzent Anant Singh die Bühne und informierte den Saal. Aus dem Film, der als Verbeugung vor einer der letzten lebenden Ikonen der Weltpolitik gemeint war, wurde ein Nachruf.

Es mag wie PR-Kalkül wirken, dieser Start eines Biopics, während die Welt noch immer um Nelson Mandela trauert. Aber für den Südafrikaner Singh, einen seiner persönlichen Bekannten, war es nicht so. Singh durfte noch vor ihrer Veröffentlichung 1995 einen Blick in die Autobiografie "Der lange Weg zur Freiheit" werfen. Mandela übertrug ihm persönlich die Filmrechte. 16 Jahre und 34 Drehbuchversionen brauchte Singh für sein Herzensprojekt. Von Kalkül kann da keine Rede sein, von Timing schon gar nicht. Dem britischen Regisseur Justin Chadwick ("Der älteste Schüler der Welt") oblag es nun, die erste vollständige Mandela-Biografie zu drehen. Selbst Regisseure wie Clint Eastwood und Bille August hatten sich immer nur an kurze Zeitspannen aus Mandelas Vita gewagt.

Wie rafft man ein Leben, dessen Fülle und Bedeutung zu viel sind für einen einzigen Film? Chadwick fängt notgedrungen von vorne an und arbeitet sich dann klassisch chronologisch durch. Wir treffen Mandela das erste Mal als Jungen am Ostkap, er wird nach den Riten seines Xhosa-Stammes gerade zum Mann gemacht. Dann Schnitt, plötzlich sind es die 40er Jahre. Mandela, ab jetzt von "The Wire"-Serienstar Idris Elba verkörpert, arbeitet als Anwalt in Johannesburg. Der junge Nelson ist charmant und wortgewandt und verheiratet, er boxt und lümmelt in Jazzclubs herum und stellt schönen Frauen nach. Mandelas erste Kontakte mit dem ANC (Afrikanischer Nationalkongress), sein Engagement gegen das weiße Apartheid-Regime, die zweite Heirat mit seiner Seelenverwandten Winnie (Naomie Harris) — all das handelt Chadwick in respektvollen Episoden routiniert ab, als gelte es, schnell zum Punkt zu kommen. Er rührt einen noch nicht so recht, dieser dynamische Jung-Mandela, der irgendwann aufhört vom Gewaltverzicht zu reden und sich als Führer des nun terroristischen ANC radikalisiert. 1964 wird er gefasst, zu lebenslanger Haft verurteilt, für die nächsten 27 Jahre weggesperrt.

Als die Kamera sich mit Mandela in seine Einzelzelle zwängt, kommt der Zuschauer ihm zum ersten Mal wirklich nahe. Von hier an nimmt Chadwick sich mehr Zeit für seinen Ansatz, Mandela nicht als Symbol, sondern als fühlenden Menschen zu zeigen. Ein Mann, der seine Familie nicht sehen darf, der mit stoischer Sanftheit den Schikanen der weißen Wärter entgegentritt. Einer, der nichts dagegen tun kann, dass seine Frau da draußen drangsaliert und ihm dabei fremd wird. Man schleift Winnie vor den Augen ihrer Kinder weg und verhört und quält sie, bis sie die Gewalt lieben lernt. Dass dieser Mittelteil noch am wenigsten von einem Denkmal hat, ist Elba und Harris zu verdanken, obwohl sie ihren Vorbildern absolut nicht ähnlich sehen. Idris Elba, ein wenig zu groß, ein wenig zu viril, wird immer zurückgenommener und beseelter, je mehr Mandela über 50 Jahre reift. Ganz anders Harris: Sie interpretiert Winnie als Frau, die am Ende, vom Hass zerfressen, nicht einmal mehr für ihren Mann wiederzuerkennen ist.

Beide Stars waren zunächst für Oscarnominierungen im Gespräch, bis durchschnittliche Kritiken und laue Zuschauerzahlen dem ein Ende machten. Langweilig wird es nie in diesen 141 Minuten, wie auch. Aber für den Kinohelden Mandela stellt sich nur Bewunderung ein, nicht die Liebe, die die Welt für den echten empfindet. lll

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort