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Roger Moore ✝ Ein Hypochonder namens Bond

London · Roger Moore spielte die Rolle des 007 so oft wie kein anderer. Aber geliebt haben wir ihn für andere Rollen. Am Dienstag starb er mit 89 Jahren.

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Foto: AP/Carlo Fumagalli

Im Grunde hat Roger Moore für die Rolle des James Bond nie getaugt. Zum Schießen hat er sich Stöpsel in seine Ohren gesteckt, bei den Dreharbeiten gelegentlich seine Höhenangst mit Alkohol und Tabletten bekämpft. In seinen 2009 veröffentlichten Memoiren outete sich der von der Queen in den Adelsstand erhobene Agent Ihrer Majestät gar als Hypochonder. Die Ehrlichkeit dieses Geständnisses hat uns zwar gerührt, die Erkenntnis dennoch zutiefst geschüttelt: Dieser 007, der Ian Flemings Romanhelden so oft spielte wie keiner der fünf anderen Darsteller, war ein Weichei. Ausgerechnet der Mann, von dem alle Welt über Jahre hinweg glaubte, er ginge keinem Saufgelage und keiner Rauferei aus dem Weg.

Geliebt haben wir den Moore-Bond ohnehin nie. Sean Connery gilt vielen als der beste (darüber kann man trefflich streiten), Pierce Brosnan punktete mitunter mit dem jungenhaften Charme, den er schon in der TV-Serie "Remington Steele" versprüht hatte, Daniel Craig als brutalster und gleichzeitig melancholischster Bond aller Zeiten. Selbst Timothy Dalton mit seiner Einheitsmimik hat uns besser gefallen.

Der Schalk im Nacken

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Foto: ap

Moore? Womöglich der mit dem größten Schalk im Nacken, einer, der als eleganter Gentleman ein Vorbild war. Aber Bond braucht wenigstens einen Hauch Raubeinigkeit, und den suchte man bei dem Engländer vergeblich. Nicht mal die meisten Martinis hat er getrunken, am Set überdies Tee vorgezogen, was man einem Briten gönnen mag, aber einem Bond nicht verzeiht. Am Ende bleibt von diesem Superagenten vor allem der Superlativ, dass er vor der Kamera die meisten Gespielinnen ins Bett bekam. Dabei hat Moore sich sogar als Laken-Bond doubeln lassen, vermutlich auch deshalb, weil es ihm peinlich war, dass seine Partnerinnen genau so gut seine Töchter hätten sein können. Roger Moore war der älteste Bond, den es je gab, er startete mit 46 und endete mit 58. Wenn man mit Ende 50 noch als Sexsymbol gelten will, läuft man Gefahr, sich lächerlich zu machen. Das hat auch Moore gewusst. Und die Zahl der Affären ist ohnehin nur Statistik, und die hat bei 007 nie gezählt. Und auch wenn Roger Moore Bond eine witzige Note gab, ja ihn bisweilen geradezu in die Nähe eines Comics rückte - der Liebling der Fangemeinde ist er nie geworden.

Das alles mag respektlos klingen gegenüber dem Mann, der gestern im Alter von 89 Jahren an Krebs starb. Dabei haben wir Roger Moore trotzdem geliebt - nur eben nicht Bond, sondern den geheimnisvollen Meisterdieb Simon Templar (Originaltitel: "The Saint"), mehr noch den nur scheinbar steifen englischen Adeligen Lord Brett Sinclair, den perfekten Gegenentwurf zum amerikanischen Großmaul und Sprücheklopfer Danny Wilde alias Tony Curtis. "Die Zwei" waren in den 70er Jahren im ZDF ein Straßenfeger, und dort war Moore einfach nur Moore - britisch kühl, vornehm, distinguiert, witzig, (selbst)ironisch, ein Snob, wie er im im Buche stand. Einer, der nur die Augenbraue hochziehen musste, und schon schienen ihm die Frauen zu erliegen.

Moore war die Rolle auf den Leib geschrieben, er war schon der Inbegriff des Womanizers, noch ehe man diesen Begriff überhaupt erfunden hatte, selbst wenn sich seine Wirkung wie bei Curtis auch durch die Eindeutschung der Gags und die Synchronstimme entfaltete. Trotzdem: schnelle Autos, Schneid bei den Mädels, immer auf der Siegerstraße, stets einen coolen Spruch auf den Lippen - mehr konnte man sich als pubertäts-geplagter Teenager der 70er vor dem Fernseher doch nicht wünschen, oder?

"Augenbraue heben, Augenbraue senken"

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Dass das alles nicht oscar-verdächtig war, versteht sich von selbst. Die begehrte Auszeichnung für den besten Schauspieler des Jahres hat Moore auch nie bekommen, und hätte man ihn gefragt, er hätte sich wohl auch selbst nicht für würdig befunden. Auf die Frage, was er selbst als seine größte schauspielerische Fähigkeit begreife, hat Moore einmal geantwortet: "Augenbraue heben, Augenbraue senken."

Das ist natürlich auch eine Mischung aus dem ihm eigenen Humor und typisch britischem Understatement, aber eben auch ein bisschen Selbstreflexion eines Mannes, dem die wirklich großen Kino-Hauptrollen nie angeboten worden sind. Ja, er spielte im Kriegsepos "Die Wildgänse kommen", und er durfte sogar mal den Inspector Clouseau in einer der zahlreichen Rosaroter-Panther-Versionen geben.

Aber Roger Moore steht eben auch für solche Kalauer-Streifen wie "Auf dem Highway ist die Hölle los". Dabei hat Moore die Royal Academy of Dramatic Arts absolvieren dürfen, wie Richard Attenborough, Kenneth Branagh, Anthony Hopkins, Charles Laughton und Peter O'Toole. Aber für den Gipfel hat es nicht gereicht.

Der einzige Oscar, den er je mit nach Hause nahm, war denn auch gar nicht für ihn bestimmt, sondern für Marlon Brando (1973, "Der Pate"). Brando lehnte die Auszeichnung als bester Schauspieler ab, Laudator Moore handelte pragmatisch und nahm das gute Stück mit nach Hause. Er ahnte damals wohl selbst, dass er die Gelegenheit, den Preis in seinen Händen halten zu dürfen, so schnell nicht wieder erhalten würde.

Britischer Humor

Das mit den coolen Sprüchen und dem trockenen, britschen Humor hat sich Moore übrigens bis ins Alter bewahrt. Als man ihm 2003 - da war er 75 und mit der dänischen Millionärin Kristine Tholstrup in vierter Ehe verheiratet - einen Herzschrittmacher eingesetzt hatte, antwortete Moore auf die Frage, was sich durch die Operation in seinem Leben geändert habe: "Ich gebe jetzt mehr Geld für Batterien aus."

Da war er schon weit weg von der Schauspielerei, widmete sich vor allem seiner Rolle als Sonderbotschafter der Unicef. "Seine große Leidenschaft war der Einsatz für die Rechte der ärmsten und am stärksten benachteiligten Kinder", erklärte gestern der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Christian Schneider, "mit seiner unnachahmlichen Verbindung aus Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit hat er unzählige Menschen berührt, begeistert und motiviert, für eine bessere Welt für Kinder zu arbeiten." Ein überschwängliches Lob für einen, der das Understatement zu seinem Markenzeichen gemacht hat.

(gw)
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