"Magie der Moore" Schaurig ist's, übers Moor zu gehen

Die Natur-Doku "Magie der Moore" führt den Zauber einer verkannten Landschaft vor Augen. Ein Ereignis für die ganze Familie.

Irgendwann während dieses Films fängt man an, die Namen der Tiere zu notieren, die dort ihren Auftritt haben. Man schreibt also diese Wörter mit, man erfreut sich an ihrem Klang, und wenn das Licht im Saal nach dem Abspann wieder angeschaltet wird, merkt man, dass da ein Gedicht auf dem Papier steht. Es handelt vom Wunder der Schöpfung, und es geht so: Sonnentau-Federgeistchen, Sumpfsaftling, Rotbauchunke, Azurjungfern, Kolbenwasserkäfer.

"Die Magie der Moore" heißt diese Dokumentation, und wer sie sieht, will nie mehr Strandurlaub machen, sondern nur noch ins Moor fahren, am liebsten nachts. Regisseur Jan Haft, der vor drei Jahren bereits den ziemlich eindrucksvollen Film "Das grüne Wunder - Unser Wald" ins Kino gebracht hat, holt den Zuschauer dort ab, wo der nach der Lektüre von Annette von Droste-Hülshoffs berühmter Ballade schlotternd stehengeblieben ist: "O schaurig ist's, übers Moor zu gehen." Haft zeigt das Unheimliche dieser Landschaft, die Irrlichter und das rätselhafte Farbenspiel am dunklen Himmel. Er zeigt die verkrüppelt anmutenden Bäume, die sich unter der feuchten Kälte der Nacht biegen und aussehen, als griffen sie nach dem Wanderer. Er führt im Zeitraffer vor, wie sich die Umrisse von Moortümpeln über Nacht verändern, wie alles, was anderswo Orientierung gibt und Halt, die Form wechselt, manchmal sogar Ort und Gestalt.

Haft nähert sich dem Moor mit großer Zuneigung, die hochbrillanten Bilder zeigen oft in Zeitlupe, was auf der Oberfläche dieser meterdicken und in Jahrtausenden gewachsenen Schicht aus abgestorbenen Pflanzen los ist. Man sieht, wie der Sonnentau seine Lust auf Fleisch befriedigt und dass sich in seiner Nähe eine kleine Industrie aus Ameisen und Fliegen angesiedelt hat, die vom Fang-Überschuss des Sonnentaus leben. Es ist das Reich der Fallensteller und Jäger.

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Man streift durch Wollgras und vorbei an Zwergbirken und scheucht Schnepfen auf und Birkhühner. Man sieht eine Schmetterlingslarve, die das Häutchen ihres Eis voller Lebensvorfreude zerreißt und erwartungsfroh und mit gewaltigem Hunger schlüpft. Man sieht sogleich die Raupe, die wie ein Mähdrescher Blätter abnagt. Dann schwenkt die Kamera aufs Wasser, und dazu spricht Axel Milberg mit ruhiger Stimme und dennoch mit einiger Heiterkeit seine Beschreibungen: "Hören Sie das melancholische Hupen der Rotbauchunke?"

Gefilmt wurde nicht nur in Deutschland, sondern auch im hohen Norden Europas, deshalb begegnet man Bären und Elchen, einer Elite von Lebewesen, die sich trotz der erschwerten Bedingungen in dieser sauren und ewig nassen Landschaft einrichtet. Haft untersucht das Moor auch unter dem Mikroskop. Er dokumentiert "Schönheiten, die nicht für unsere Augen gemacht sind": Das Leben in Torfweiher und Moorschlamm, die bizarre und weitgehend unerforschte Welt der Pantoffel- und Bärtierchen, der Algen und Rädertierchen, die so wichtig ist für den Menschen. Denn auch das ist dieser Film: ein Appell, diese Landschaft zu schützen. 95 Prozent der Moore auf der Welt seien vernichtet, sagt Milberg, "und nirgendwo wurde so viel Moor zerstört wie in Europa". Dabei sind die Moore ein Kohlendioxid-Speicher. Wer sie trockenlegt, setzt das Gas frei, und es gibt Schätzungen, wonach ein Drittel aller Treibhausgas-Emissionen durch trockengelegte Moore verursacht wurden.

Aber es gibt Hoffnung. Wenn man trockengelegte Moore wieder flutet, fängt der Boden direkt an, CO2 zu binden. Auf wundersame Weise kehren Karauschen - das sind Moorkarpfen - zurück in die Tümpel. Mücken und Libellen legen Eier an den Wasserrand, und über den Boden wuchert in kürzester Zeit der bizarre Teppich aus Moosen und Gräsern, unter dem die Menschen von jeher Geheimnisse vermuten.

Der Film lüftet einige davon. Die Magie der Moore zerstört er dabei nicht. Im Gegenteil.

(hols)
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