Bestseller-Verfilmung Schweighöfer in der "Russendisko"

Düsseldorf · Matthias Schweighöfer spielt die Hauptrolle in der Verfilmung des Bestsellers von Wladimir Kaminer. Drei Freunde verlassen Russland, um ihr Glück in Berlin zu machen. Sie verkaufen Dosenbier und erfinden eine erfolgreiche Partyreihe. Das klingt lustig, leider ist der Film eher seicht.

Als vor vier Jahren die Autobiografie von Marcel Reich-Ranicki verfilmt wurde, da war Matthias Schweighöfer eine ungewöhnliche Besetzung. Aber er war populär, begabt und bereit, sich in eine ihm fremde Figur einzufühlen. Heute ist er noch populärer geworden, seine Begabung ist weiterhin spürbar, nur die Bereitschaft zur Einfühlung ist ihm abhandengekommen. In "Russendisko" verkörpert er schon wieder eine reale Figur osteuropäischer Herkunft und jüdischen Glaubens: Wladimir Kaminer. Dieser Kultautor steht gern vor der Kamera; möglicherweise kennen sein Gesicht sogar noch mehr Menschen als seine Texte. Hätte sich Matthias Schweighöfer denn nicht wenigstens die Haare färben können?

Aber dann wäre "Russendisko" kein Schweighöfer-Film, und als solcher ist diese Bestseller-Adaption konzipiert, man kann auch sagen: kalkuliert worden. Die Schweighöfer-Fans mögen gerade das, was das kritische Publikum nervt: die penetrant zur Schau gestellte emotionale Unreife, von der man nur hoffen kann, dass sie gespielt ist; die Klassenclown- und Zappelphilipp-Gebärden; die immergleiche Tonlage, die suggeriert, er befände sich noch im Stimmbruch.

Zu Beginn des Films verlassen die Freunde Wladimir, Mischa und Andrej die untergegangene Sowjetunion, um sich in der untergehenden DDR ein neues Leben aufzubauen. Sie versuchen es mit Zigarettenhandel und mit dem Verkauf von Dosenbier auf dem S-Bahnhof Lichtenberg. Dass sie — im Gegensatz zu den Vietnamesen und Albanern in ihrem Marzahner Wohnheim — akzentfrei deutsch sprechen, erleichtert ihnen die Integration unheimlich, trägt aber auch zur Unglaubwürdigkeit des Films bei.

Die einzigen Beteiligten, die ihre Arbeit ernst genommen haben, sind der Ausstatter Christian M. Goldbeck und die Kostümbildnerin Lucie Bates. Alles von der Kaffeetasse bis zum Kopfkissen wirkt farblich aufeinander abgestimmt. Und Tetsuo Nagata, der Kameramann des Edith-Piaf-Biopics "La vie en rose", erweist sich auch hier als Meister des Lichts.

Gute Optik lässt über Schwächen hinwegsehen

Ohne die ansprechende Optik wäre der Film kaum zu ertragen. Er traut sich nicht, intelligent zu sein, aber die niederen Instinkte will er auch nicht bedienen. Dem echten Wladimir Kaminer ist der Erfolg durchaus nicht in den Schoß gefallen. Er hat in Moskau Dramaturgie studiert, besaß also schon ein gewisses Talent, das er im Berlin der Nachwende weiter pflegen konnte. Im Film sehen wir einen unbedarften Jüngling, bei dem nichts darauf hindeutet, er könnte ein Buch verfassen.

Er ist ein Mann ohne Intellekt und ein Mann ohne Trieb. Die Liebesgeschichte mit der zarten, zierlichen Tänzerin Olga (Peri Baumeister) bewegt sich auf dem Niveau einer Teenie-Schmonzette. Der Film pflegt überhaupt ein sehr konservatives Frauenbild. Die interessanteste weibliche Figur, die Journalistin Helena (Pheline Roggan), wirkt raffiniert und gefährlich, doch mit ihr weiß der Film nichts anzufangen, also drängt er sie in den Hintergrund.

Der verantwortliche Drehbuchautor und Regisseur Oliver Ziegenbalg ist ein Experte für Männerfreundschaften. Er hat schon das Drehbuch zu "Friendship!" verfasst, einem großen Erfolg beim Publikum und bei der Kritik. Schweighöfers Freund aus diesem Film, Friedrich Mücke, ist auch in "Russendisko" wieder dabei und hebt das darstellerische Niveau ein wenig an. Er, der am Bayerischen Volkstheater den "Hamlet" verkörpert hat, ist ein begabter Musiker, der sogar ein Lied auf Russisch vorträgt. Mischa ist der einzige Nichtjude unter den Freunden und deswegen von der Abschiebung bedroht. Er muss zum Judentum konvertieren oder schnell eine Deutsche heiraten, und daraus ergeben sich Konflikte, die der Film halbherzig abhandelt.

Der Dritte im Bunde, Christian Friedel als Andrej, ist schwermütig und kriegt als einziger keine Frau ab. Das überrascht in einem Film, der seine Protagonisten zu drei Musketieren stilisiert und das Hohelied auf den liebenswerten Versager singt, der trotzdem Erfolg beim weiblichen Geschlecht hat. Man darf gespannt sein, ob "Russendisko" ein weiterer Erfolg für Matthias Schweighöfer wird.

Die finanzielle Kalkulation ist das einzig Spannende an diesem seichten Film.

(RP/felt/csr)
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