Das Phänomen "Star Wars" Möge die Macht mit ihnen sein

Düsseldorf · George Lucas hat mit "Star Wars" eine quasi-religiöse Überlieferung geschaffen, an die auch der postmoderne Skeptiker glauben kann. Denn es geht um Selbstoptimierung und das Walten einer guten Kraft in allem.

 Das Logo des Mythos.

Das Logo des Mythos.

Foto: Lucasfilm

Man muss nur die ersten Sekunden einer "Star Wars"-Episode schauen, um zu erkennen, dass George Lucas nicht irgendeine Science-Fiction-Serie geschaffen hat: "Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis. . .", heißt es erst märchenhaft. Dann ziehen in schweren Blöcken gelbe Schriftzeichen ins Bild, als würden Texttafeln ins Universum geschoben. Im Anfang ist das Wort, dann erst folgen die Bilder, die einen scheinbar uralten Mythos, eine gewichtige Überlieferung in die Gegenwart transportieren und sie aufbereiten für das digitale Zeitalter.

"Star Wars" ist ein Science-Fiction-Epos, das aus vormodernen Zeiten zu stammen scheint, ein postmoderner Hybrid aus östlichen Philosophien und westlicher Technikgläubigkeit, erzählt entlang des klassischen Musters einer Heldenreise. Hauptfigur Luke Skywalker muss in der Kernerzählung der Saga die vertraute Heimat verlassen, ein echter Jedi-Ritter werden, Abenteuer bestehen und am Ende wie Ödipus den eigenen Vater töten, um ganz er selbst zu werden. Das erfüllt Muster der griechischen Mythologie wie der Psychoanalyse, ist zugleich eine uralte Geschichte und ein moderner Prozess der Selbstfindung.

"Star Wars" erzählt von außergewöhnlichen Menschen, die ihre dunklen Leidenschaften zähmen, die an ihrem Selbst arbeiten, damit die gute Kraft durch sie wirken kann. So wirkt die Geschichte nicht wie fantastischer Kokolores, sondern wie geschrieben für die Gegenwart: "Star Wars" ist ein Mythos der Selbstoptimierung, ein Hymnus auf das Individuum, das an sich arbeiten, mit den Kräften der Natur in Verbindung treten und eben doch die Welt verändern kann. Daran glaubt man gern in Zeiten tiefer Entfremdung zwischen Mensch und Natur; und in einer sozialen Wirklichkeit, in der sich der Einzelne oft als ohnmächtiger Winzling im Getriebe empfindet und im Überangebot der Weltanschauungen nach verlässlichen Regeln sucht.

Gut und Böse klar getrennt

Die Jedi-Ritter leben in einem Universum, in dem Gut und Böse klar getrennt sind. Das Schlechte lässt sich sogar lokalisieren, es ballt sich auf dem Todesstern. Dazu sind die Regeln ihres Verhaltenskodex eindeutig, nie wirken die Jedi orientierungslos. Sie kämpfen mit Hightech-Ausrüstung und der Kraft ihrer Konzentration, sind Raumfahrer und buddhistische Mönche. Sie zählen zu einer mentalen Elite, deren positives Karma objektiv messbar ist, durch Partikel in ihrem Blut. Und so werden sie zu modernen Gurus mit zeitgemäßer Mission - zu Verteidigern der Freiheit, der Vernunft, der Aufklärung.

Das alles ergibt eine quasi-religiöse Erzählung, die einer total ernüchterten, säkularisierten Welt einen neuen Mythos beschert. In "Star Wars" gibt es keine personalisierte Gottheit, an der die rationalen Erklärungen der Wissenschaft, der Technik, der modernen Welt scheitern müssten. Es gibt nur die "Force", die Kraft des Geistes und des Willens. Und selbst die soll keinen physikalischen Gesetzen widersprechen. Vielmehr wird sie als messbar dargestellt durch "Midi-Chlorianer", kleinste Organismen, die sich in Blutproben nachweisen lassen und damit Biologie, Physik und New-Age-Vorstellungen von einer guten Macht in allem Lebendigen vereinen.

Der Grundton von "Star Wars" ist Optimismus

Und dann ertönen die Fanfaren. Das triumphale Leitmotiv der guten Kräfte suggeriert, dass am Ende doch die Richtigen siegen werden, dass sich selbst in der von George Lucas und seinen Mitautoren so bunt bevölkerten riesigen Galaxie alles zum Guten fügen wird. Mag der Schurke Darth Vader noch so unmenschlich aus der schwarzen Maske atmen und seine Krieger noch so martialisch in Reih und Glied marschieren, der Grundton von "Star Wars" ist Optimismus.

Und so ist die Sehnsucht nach den Sternen groß, überschlagen sich jetzt schon die Meldungen der Kinobetreiber. Obwohl die siebte Episode der Reihe erst am 17. Dezember in die Kinos kommt, werden Karten für die Mitternachtspremieren mancherorts bereits knapp. Über 50 Millionen Dollar wurden allein in den USA mit Vorreservierungen für das erste Wochenende eingenommen. Experten erwarten, dass diese Summe auf 100 Millionen klettern wird. Die Fans wollen wissen, wie es weitergeht mit einer Geschichte, die im Kern, den Episoden IV bis VI von der Erweckung eines jungen Helden berichtet. Die im zweiten Schritt, den Episoden I bis III, um die Ahnengeschichte dieses Helden ausgebaut wurde und nun mit einer weiteren Trilogie fortgesponnen wird.

Das folgt dem Prinzip des seriellen Erzählens, das auch die ausladenden Geschichten von "Herr der Ringe", "Harry Potter" oder "Die Tribute von Panem" erfolgreich gemacht hat. Das Serielle bedient das Urbedürfnis des Menschen, Kausalketten zu bilden und dem chaotischen Dasein erzählbare Handlungen abzuringen, ein Davor und Danach zu konstruieren, das nicht willkürlich zusammenhängt - sondern sinnvoll.

Es schenkt dem Einzelnen ein Gefühl von Sicherheit, sich in große Mythen zu stellen, sich aufgehoben zu wissen in einer Tradition. Das funktioniert sogar mit jungen Großerzählungen des Pop-Zeitalters, wenn darin die Werte, Hoffnungen und Ängste der Gegenwart so bruchlos eingesponnen werden, wie es George Lucas gelungen ist. Immerhin hat seine Erzählung auch schon 1976 begonnen, die Generation der heute um die 40-Jährigen ist mit ihr aufgewachsen, wird mit jeder Episode Ereignisse in der eigenen Biografie verbinden. Das macht Zuschauer zu Fans, zu "Star Wars"-Jüngern, die jetzt schon versuchen, aus den Trailern die Handlung von Episode VII abzulesen. Sie deuten die ersten Schnipsel der nächsten Überlieferung und freuen sich auf die Kino-Weihestunde des Jahres. Möge der Spaß mit ihnen sein.

(dok)
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