"Star Wars"-Nebendarsteller Weltberühmt, aber unbekannt

Düsseldorf · In der liebevoll gemachten Dokumentation "Elstree 1976" besucht der Filmemacher Jon Spira Nebendarsteller und Statisten aus dem ersten Star-Wars-Film. Dabei fördert er faszinierende Geschichten zutage.

"Star Wars"-Nebendarsteller - Weltberühmt, aber unbekannt
Foto: Vertrieb

Es beginnt mit bekannten Spiel-Figuren aus dem ersten Star-Wars-Film — kommentiert von Stimmen aus dem Off, die man zunächst nicht zuordnen kann. Gesichtslos und anonym sagen sie etwas zu den Sammlerstücken und Spielzeugen, die ihnen nachempfunden sind. Und alleine diese Eröffnungs-Sequenz macht klar, worum es in "Elstree 1976" geht. Um die unbekannten Menschen, die hinter den Figuren stehen — und die dank des großen Erfolgs von "Star Wars" irgendwie auch weltberühmt geworden sind, auch wenn die wenigsten ihre Namen kennen.

John Spira lässt es dabei ruhig angehen und verfällt nicht dem eitlen Bedürfnis der Selbstdarstellung. Er hält sich zurück, sagt selbst nichts, sondern lässt die Menschen reden — die sich zwischen leichter Verbitterung und Enttäuschung, zwischen Genügsamkeit und längst gefundenem Lebensglück bewegen. Sie alle kamen an einem Punkt in ihrem Leben zusammen: in London. In den Elstree Studios. Im Jahr 1976, als George Lucas "Star Wars" drehte. Und nur wenige ahnten damals, an was für einen bahnbrechenden Film sie mitarbeiten sollten.

Der Dokumentarfilmer John Spira hat einige von ihnen aufgespürt. Auch wenn sie nicht im Abspann namentlich genannt wurden. So wie Paul Blake. Seine Schauspielkarriere nahm nicht den Weg, den er sich in den 1970ern vorgestellt hatte. Klar habe er damals große Träume gehabt, wie jeder Schauspieler. Umso seltsamer fühlte er sich, als er in einem kuriosen Science-Fiction-Film eine Art Frosch spielen sollte. 40 Jahre später kann er aber sagen: "Ich habe Macbeth gespielt, Ich habe am Royal Court Theater in London Vorstellungen gegeben. Aber auf meinen Grabstein wird stehen: ,Hier liegt Greedo'". Und damit hat er kein Problem, weil diese Figur, die von Han Solo (Harrison Ford) im ersten Star-Wars-Film erschossen wird, weit über seinen Tod hinaus weltberühmt sein wird — und damit auch er. Greedo ist sein schauspielerisches Erbe. Damit indes hatte er damals nicht gerechnet, sagt Blake, der entspannt wirkt und beiläufig erzählt, wie es damals war am Set und generell als junger Schauspieler in London, der davon träumte, Karriere zu machen — und dann in der Seifenoper "Crossroads" landete.

Es ist diese beiläufige Art, mit der die Menschen erzählen, die aus dem Film mehr macht als nur eine Star-Wars-Dokumentation. Sie rückt die Unbekannten in den Fokus und lässt sie erzählen. Darüber, was sie in ihrem Leben gemacht und welche Entscheidungen sie getroffen haben, die sie am Ende in ein Studio geführt haben. Die Dokumentation zeigt aber auch, was danach mit ihnen passiert ist und wie sie heute, mehr als 40 Jahre danach, auf das zurückblicken, was ihr Leben bis heute in der einen oder anderen Weise bestimmt.

Angus MacInnes beispielsweise wirkt desillusioniert. Er war der "Gold Leader", der in "Star Wars" den ersten Versuch angeführt hatte, den Todesstern zu vernichten. Seine Karriere nahm danach zwar zunächst einen guten Start mit einer Rolle in "Der einzige Zeuge", die ihn erneut mit Harrison Ford zusammenführte. Danach aber "kamen keine guten Drehbücher mehr". Mit seiner Frau führte er über Jahre ein Restaurant, bevor er dann den Höhepunkt seiner Karriere erreichte, wie er in der Rückschau feststellt: eine größere Rolle im Sylvester-Stallone-Film "Judge Dredd" (1995). Die Enttäuschung ist ihm anzusehen. Vor allem mit Blick auf die Star-Wars-Conventions, bei denen die Fans zusammenkommen, um Autogramme zu sammeln — auch von den Nebendarstellern. "Man kann mein Gesicht sehen in Star Wars. Ich habe sogar Dialogzeilen." Doch neben David Prowse (Darth Vader) oder Jeremy Bulloch (Boba Fett) habe er keine Chance. Man müsse anscheinend einen "Topf" tragen, um berühmt zu werden, sagt er mit einer Mischung aus Resignation und Zynismus — weil beide Charaktere, Darth Vader und Boba Fett, Helm trugen, sodass das Gesicht der Schauspieler nicht zu erkennen war.

Deutlich wird in "Elstree 1976" dadurch aber auch, wie sehr um die Gunst der Fans gerungen wird. Immer noch. Wenn der Name nicht im Abspann stehe, sei man ja nur ein Statist und nicht mehr als "zufällig eben auch dort gewesen", sagt MacInnes. David Prowse (Darth Vader) geht noch weiter und bezeichnet die Statisten als lebende Kleiderständer. Der Vorwurf ist klar: Auf den Conventions seien sie Trittbrettfahrer, die von dem Star-Wars-Erfolg profitieren wollten und die versuchen würden, den echten Nebendarstellern die Butter vom Brot zu nehmen.

Offenbar, auch das ist eine Erkenntnis aus dieser Dokumentation, gibt es eine klare Hierarchie, die manche sehr, sehr ernst nehmen: Erst kommen die Haupt-, dann die Nebendarsteller und am Ende stehen die Statisten. Aber es sind gerade solche Nebengeschichten, die aus "Elstree 1976" eine spannende Dokumentation machen. Ungekünstelt lässt Spira den Menschen in seinem Film Raum. Sehr viel Raum, damit sie immer offener erzählen — nicht nur von den Dreharbeiten oder den teils kuriosen Umständen, die sie in die Elstree-Studios geführt haben, sondern auch von ihren eher ungewöhnlichen Leben.

Laurie Goode beispielsweise träumte in den 1970ern von einer Karriere als Musiker, die schon früh scheiterte. Er versuchte sich als Komponist und Produzent und hielt sich mit Nebenjobs über Wasser — als Statist. So wie in Star Wars. Er war nicht nur irgendein Stormtrooper, sondern er ist bis heute einer der berühmtesten Figuren. "Man sah in den Helmen so gut wie nichts. Und ich dachte, man würde sofort abbrechen, als ich mit dem Kopf gegen ein Schott stieß." Stattdessen ging der Dreh weiter und niemand rief "Cut!". "Ich dachte damals, dass die Kamera das vermutlich gar nicht eingefangen hat." Tatsächlich ist es aber im Film zu sehen — und der Moment wurde zu einem Running Gag im Star-Wars-Universum. "Viele habe danach natürlich behauptet, sie seien der Stormtrooper gewesen. Aber ich war es", ist sich Laurie Goode sicher, der später jahrelang aufgrund eines fehlerhaften Rezepts an den Folgen einer Valium-Sucht litt.

Anthony Forest war ebenfalls Musiker. Der Kanadier war so besessen, dass er mit 17 Jahren nach Montreal trampte — um John Lennon und Yoko Ono bei ihrer Friedenstour zu sehen. Er gab sich als Jugendreporter aus und schaffte es so bis ins Hotelzimmer, wo er einen ganzen Nachmittag in der Nähe des Ex-Beatle verbrachte. Auf der Suche nach seinen englischen Wurzeln verschlug es ihn dann nach London, wo er eine Rolle in "Star Wars" ergatterte. Am Set habe er sich gefühlt wie bei einem Independent-Film. Er sollte "Fixer" spielen, den eher erwachsenen Freund von Luke Skywalker. Dafür musste er Marokko reisen, doch die Figur wurde später komplett aus dem Film geschnitten. Dafür sprang er spontan in einer anderen Szene ein — als Stormtrooper, der Luke Skywalker, Obi-Wan Kenobi und die beiden Droiden R2D2 und C3PO in der Stadt Mos Eisley anhält. Er sollte den Satz sagen. "Das sind nicht die Droiden, die wir suchen." Es waren die Worte, die zu einem popkulturellen Zitat wurden.

Neben ihnen und den Krieg-der-Sterrne-Größen Jeremy Bulloch und David Prowse kommen aber auch Statisten zu Wort, die im Film nur sehr kurz zu sehen sind — und die dennoch Teil des Star-Wars-Mythos und dadurch unsterblich geworden sind. Alleine weil ihre Figuren existieren in einer Galaxie weit entfernt und vor langer, langer Zeit. Jon Spira setzt den Unbekannten und den Namenlosen, die nicht im Abspann genannt worden sind, ein Denkmal und bietet ihnen noch einmal eine Bühne. Spira bewertet nicht, er deutet nicht, er lässt sie einfach reden. Und gerade das macht aus der Dokumentation ein inniges Erlebnis.

"Elstree 1976", Busch Media Group, ist seit dem 1. September auf DVD und Bluray erhältlich, aber auch in Online-Videotheken.

(jov)
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