Dokumentation "Supersonic" Mit Oasis auf den Pop-Olymp

Düsseldorf · "Supersonic" heißt die neue Dokumentation, die den Weg der britischen Band an die Spitze nachzeichnet. Im Mittelpunkt des Films von Mat Whitecross stehen die drei großen Jahre der Gallagher-Brüder.

Diese Dokumentation ist nicht durchgängig gelungen, aber man wird natürlich dennoch wehmütig, und einmal wünscht man sich, man wäre reich wie ein Scheich, denn dann könnte man sich alle Jacken nachschneidern lassen, die Liam Gallagher je getragen hat. Jackenmäßig macht ihm wirklich niemand etwas vor.

"Supersonic" heißt der Film über die drei besten Jahre im Leben der Band Oasis aus Manchester, und gedreht hat ihn natürlich ein Brite: Mat Whitecross. Er zeigt uns gleich zu Beginn den Höhepunkt, es ist das Jahr 1996, und die Gallagher-Brüder spielen an zwei Abenden vor jeweils 250.000 Fans in Knebworth. Sie hätten mehr als zwei Millionen Tickets verkaufen können, Oasis war damals die größte Band der Welt, und manche sagen, jene Abende waren der Anfang vom Ende.

Whitecross beschäftigt sich denn auch gar nicht mehr mit den ja doch vergleichsweise mittelmäßigen Alben, die folgen sollten. Er blickt zurück, ihm geht es um die Coming-Of-Age-Geschichte von Oasis, um den unwahrscheinlichen Aufstieg an die Spitze in kürzester Zeit. Vom Bordstein zur Skyline.

Da sieht man denn Noel und den fünf Jahre jüngeren Liam im Probenraum, sie haben ein Poster der Beatles aufgehängt und den Union Jack auf das Mauerwerk gemalt, und sie streiten mal wieder. "Wie heißen noch mal die beiden Typen in der Bibel?", fragt jemand. Und Liam rotzt ihm die Antwort vor die Füße: "Kain und Kabel".

Alle lachen natürlich, und die Brüder vertragen sich wieder. Liam gründete Oasis auf eigene Faust, Noel kam erst später dazu, er war Mitglied im Tour-Team der Band Inspiral Carpets, und als er hörte, dass der kleine Bruder etwas auf die Beine gestellt hatte, konnte er es nicht fassen: Der hatte doch gerade erst begonnen, sich für Noels Smiths-Platten zu interessieren.

Sie sahen so jung aus damals, man glaubt es nicht, so arglos, und großartig sind jene Stellen, in denen die Atmosphäre in der Gallagher-Familie beschrieben wird. Der Vater war fortgegangen, einfach so, und Mutter Peggie zog drei Jungs alleine groß. "Liam war ein Teufel", sagt sie ziemlich trocken. "Wir waren zu dritt, und einer von uns war Liam, was es nicht leichter machte", sagt Noel ähnlich lakonisch. Und Liam sagt: "Jeden Dienstag, wenn die Arbeitslosen-Unterstützung kam, habe ich mir eine neue LP gekauft und sie eine Woche lang gehört."

"Er war einfach ein Frontmann, ein Sänger"

Noel kommt dann zu einem Auftritt der Band des Bruders, und das ist einer der seltenen Momente, in denen er Anerkennung für das enorme Talent des Jüngeren zeigt. Er lobt, wie gut Liam war, der Haarschnitt, sein Gang: "Er war einfach ein Frontmann, ein Sänger." Und man kann genau das ja gar nicht hoch genug schätzen, Liam mit seiner gossengestählten Arroganz. Wie er über die Bühne schritt in seinen braunen Desert Boots, wie er da stand, unters Mikro gebeugt. 99 Prozent seiner ständig wechselnden Frisuren kann ja auch nur er tragen — aus jedem anderen würden sie ein würdeloses Würstchen machen.

Noel schloss sich der Gruppe also an. "Wenn wir Phil Collins und Sting loswerden wollen, müssen wir in die Charts", sagte er zum Einstand. Er schrieb fortan die Songs, und was für welche. "Live Forever", "Roll With It", es strömte aus ihm heraus. Einmal spielten sie mit einer anderen Band in Glasgow, 1993 war das, und weil deren Sängerin die Ex-Freundin von Alan McGee war, kam der Chef von Creation Records höchstselbst zu diesem Auftritt. Bei ihm standen sie alle unter Vertrag, The Jesus & Mary Chain, Ride, My Bloody Valentine, und nun erlebte er Oasis, und nach dem Gig ging er zu ihnen und fragte: "Wollt ihr einen Plattenvertrag?"

"Definitely Maybe" war dann das am schnellsten verkaufte LP-Debüt in Großbritannien, ein Ausflug mit dem Yellow Submarine ins Pepperland. "I was looking for some Action / But all I found was Cigarettes and Alcohol", singt Liam, und das ist eine der herrlichsten Stellen im Werk von Oasis, weil er "action" wie "ähkschijahn" ausspricht, und eben das ist Liam, dieses breitbeinige Mackertum, ein bisschen Sex Pistols, noch mehr Beatles, und dabei so lässig, leiernd und herausfordernd.

Im Konzert freute man sich ja immer auf den Augenblick, wenn Liam an den Bühnenrand trat, die Arme hinter dem Rücken verschränkte und eine Auszeit nahm. Er war dann die Galionsfigur dieses Band-Schiffs, er war weit vorne, und im Film erklärt er, dass das die schönsten Minuten seines Lebens waren, dass er nichts von dem Lärm um ihn herum wahrgenommen habe, nur Stille, totale Stille und Herrlichkeit.

"Morning Glory" war das Album, das sie 1995 auf den Olymp hob, fünf Millionen verkaufte Exemplare, jedes Lied ein Klassiker. Es ist die magische Platte, die jede große Band haben muss, und das ewige Geheimnis des Pop ist, wie völlig versoffene und drogenbreite junge Streithanseln es hinbekommen, in kürzester Zeit diese enorme Qualität abzuliefern. Noel schrieb jeden Tag ein Lied, er gab es Liam, der sah es sich an und sang das Lied ein, und danach verließ er das Studio und ging Fußballspielen, bis die Pubs öffneten. Man sitzt da und schüttelt den Kopf beim Zusehen, es fiel ihnen alles so leicht, und auf den Armen hat man Gänsehaut.

Dann kam Knebworth, und Bonehead, der treue Rhythmus-Gitarrist von Oasis, sagt, das sei eigentlich ein bisschen zu früh gekommen, zu schnell, denn genau genommen hätte man danach aufhören müssen. Der Film endet hier ja auch, und trotz seiner Gründlichkeit, trotz des guten Materials und der tollen Lieder hatte man sich mehr erhofft. Mat Whitecross bleibt sehr nah an der Binnensicht. Es geht allzu viel um Streitigkeiten. Die Außensicht kommt etwas kurz, der Spirit jener Jahre. Und warum wird die Konkurrenzband Blur eigentlich nicht erwähnt? Das ist doch essentiell!

So bleiben Erinnerungen an eine besondere Zeit. Oasis will man jetzt jedenfalls wieder öfter hören. You and I are gonna live forever.

(hols)
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