Sony-Film "The Interview" ist ein PR-Coup

Los Angeles · PR ist das A und O für jeden erfolgreichen Film. Hat sich die Art der Werbung in den vergangenen Jahrzehnten zwar gewandelt - diese Quintessenz bleibt dennoch. "The Interview" ist ein Paradebeispiel für diese Weisheit, doch hält der Film, was die PR verspricht?

Einen zweistelligen Millionenbetrag müsse man für einen potentiellen Blockbuster schon einkalkulieren, ließ Star-Regisseur Steven Soderbergh einst verlauten. Deutlich günstiger, wenn auch weitaus dramatischer, kamen Seth Rogen und Evan Goldberg davon. Die beiden Filmemacher sind verantwortlich für "The Interview", eines der bestvermarkteten Werke der bisherigen Filmgeschichte.

Plakativ, ein wenig hetzerisch obendrein, könnte man als Initiator dieses Marketingkniffs einen Namen nennen: Kim-Jong Un. Diejenigen, die in den vergangenen Wochen nicht mit den Begriffen "Hacking", "Sony" oder "Nordkorea" konfrontiert wurden, sollen eine kurze Aufklärung bekommen: Der Filmverleih "Sony Pictures" wurde Opfer eines Hackerangriffs, eine unsagbare Menge an Daten wurde gestohlen. E-Mails, detaillierte Kalkulationen verschiedenster Filme, selbst Sozialversicherungsnummern von Superstars wurden veröffentlicht. Die Verantwortung übernahm die Gruppe "Guardians of Peace". Ihre Drohung, Anschläge würden im Falle des Kinostarts der Nordkorea-Satire "The Interview" folgen, ließ weitaus mächtigere Hintermänner vermuten. Und so bestätigten wenig später die USA, dass Nordkorea hinter dem Cyber-Anschlag steckte.

Zwar kam "Sony" zunächst der Forderung nach und zog den Film zurück. Nach lauter öffentlicher Kritik, selbst von US-Präsident Barack Obama, revidierte das Unternehmen wenig später aber die Entscheidung. Das Werk kam an Weihnachten in einigen US-Kinos heraus, zudem wurde es auf Streaming-Plattformen im Internet angeboten. Die Zahlen sind beeindruckend. In 331 Kinos lief "The Interview" am 25. Dezember an und spielte prompt über eine Million Dollar ein. Wenn man einen Vergleich zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahres zieht, ist die Zahl beeindruckend: Die Bestsellerverfilmung "Gone Girl" spielte am ersten Tag zwar 13 Millionen Dollar ein, wurde aber in über 4000 Kinos gezeigt. In Relation kommen die beiden Werke so auf eine vergleichbare Summe.

Der Profit aus dem Internet ist derweil noch erstaunlicher. Auf Plattformen wie "iTunes" oder "Google Play" spielte "The Interview" über 15 Millionen Dollar ein, gab "Sony" bekannt. Das Budget von rund 44 Millionen Dollar dürfte also in den kommenden Wochen problemlos eingespielt werden - spätestens wenn "The Interview" international angeboten wird.

Womit wir wieder bei gelungener PR wären. Denn normalerweise hätte solch ein durchwachsenes Werk niemals diesen Erfolg feiern können. Die Handlung liest sich deutlich vielversprechender als das Endprodukt: Dave Skylark (James Franco) und Aaron Rapaport (Seth Rogen) sind die kreativen Köpfe einer Boulevard-Live-Show, in der Stars aus dem Showbusiness aus dem Nähkästchen plaudern sollen. Während Moderator Skylark in der seichten Unterhaltung aufgeht, sehnt sich Rapaport nach mehr Seriosität. Da kommt es den beiden ganz recht, dass sich der gefürchtete nordkoreanische Diktator Un als wahrer Fan der Show outet, sie bekommen die Chance, ein Interview mit ihm zu führen.

Das ruft wiederum die CIA auf den Plan, die sie überredet, solch eine Gelegenheit für ein Attentat zu nutzen. Dabei stellen sich Skylark und Rapaport aber so an, wie es sich für zwei Protagonisten einer Satire gehört: gnadenlos plump.

"The Interview" ist bereits der dritte Film mit Rogen und Franco, stilistisch knüpft das Werk nahtlos an "Ananas Express" und "Das ist das Ende" an. Hemmungen gibt es fast nicht, Witze über Fäkalien dafür zur Genüge. Diktator Un ist also ein (Halb-)Gott, der gar nicht aufs Klo gehen muss? Im titelgebenden Interview macht er sich dann - mit beeindruckender akustischer Untermalung - in die Hose. Willkommen in der Welt von Franco und Rogen.

Wer sich aber auf dieses Niveau einlässt, wird belohnt. Das Porträt des Diktators, der im zweiten Akt endlich seinen großen Auftritt hat, unterhält. Wenn er in seinem begehbaren Kleiderschrank aus Dutzenden gleichfarbiger Anzüge auswählt oder sich als panzerfahrender Katy-Perry-Fan entpuppt, ist der Film schlichtweg lustig.

Schauspieler Randall Park verkörpert Un sichtlich amüsiert, in Franco hat er zudem einen grandiosen Gegenpart bekommen. Während Rogen die für ihn typisch unterkühlte Figur gibt, die im Laufe der 112 Filmminuten eindimensional bleibt, überragt der oscarnominierte Franco als latent homosexueller, vollkommen überdrehter und zugleich naiver Moderator, der "The Interview" eigentlich allein tragen könnte.

Ein durchwachsener Film ist also entstanden, eine durchschnittliche Satire. In aller Munde ist sie aber bereits, ein wirtschaftlicher Erfolg wird "The Interview" werden.

Gute PR eben - made in Nordkorea.

(RP)
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