"Only Lovers Left Alive" Tilda Swinton als verliebter Vampir

Düsseldorf · "Only Lovers Left Alive" von Jim Jarmusch ist ein Bild-Essay über die Liebe.

"Only Lovers Left Alive": Tilda Swinton als verliebter Vampir
Foto: dpa, Gordon A. Timpen/Pandora Filmverleih

Am besten sieht man diesen Film in der Spätvorstellung, wenn die Müdigkeit auf die Lider drückt und der Blick schon ein bisschen verschwimmt. Dann ist es leichter, mit den Figuren durch die verlassenen Straßen Detroits zu gleiten, ihnen in die Nacht zu folgen und die Langsamkeit, die Allmählichkeit und den feinen Humor dieser Liebesgeschichte wertzuschätzen.

"Only Lovers Left Alive" heißt die neue Produktion von Jim Jarmusch, und was man bisher darüber zu lesen bekam, waren fast ausschließlich Verrisse. "Langweilig" hieß es darin zumeist, das Magazin "Spex" fauchte gar: "fad und selbstgerecht". All das stimmt, ist aber gar nicht schlimm, das muss so, eben das ist sogar der Vorzug des Films.

Tim Hiddleston und Tilda Swinton spielen die Vampire Adam und Eve, sie sind seit Jahrhunderten zusammen, blasierte Überlebende des analogen Zeitalters, die "happy few". Sie wissen, dass nicht Shakespeare den "King Lear" geschrieben hat, denn der wahre Autor, Christopher Marlowe, ist ihr Freund. Sie nennen sich Stephen Dedalus und Daisy Buchanan, wenn sie Flugreisen buchen; die Namen haben sie bei James Joyce und F. Scott Fitzgerald geklaut. Swinton trägt cremefarbenes Leder und trinkt Blut aus kostbaren Flachmännern. Hiddleston ist Musiker, einst überließ er Franz Schubert ein Adagio. In seinem Zimmer lagern Schallplatten von Charlie Feathers und Wanda Jackson, antiquierte Verstärker und die Gitarre von Eddie Cochran. Und wenn er im Krankenhaus Blutkonserven besorgt, trägt er am Kittel ein Namensschild mit dem Schriftzug "Dr. Faust". Man sieht es schon, wir haben es mit gesitteten und etwas manierierten Dämonen zu tun.

Jarmusch glaubt daran, dass sich filmemacherische Identität aus der individuellen Kombination von Zitaten ergibt, ihm ist Stilbewusstsein wichtiger als erzählerische Logik. Deshalb gibt es eigentlich keinen Grund dafür, dass plötzlich Mia Wasikowska auftaucht und als Eves Schwester für Unruhe sorgt, aber es sieht natürlich unfassbar großartig aus, wie diese eigenartige Familie sonnenbebrillt in einem Musik-Club steht und auf ästhetisch aufsehenerregende Weise gelangweilt ist.

Im Grunde ist das nur mehr eine Privatveranstaltung, ein Bild-Essay über Vampirismus im 21. Jahrhundert, über Liebe, Schönheit und Dekadenz. Handlung gibt es nicht. Aber wer das akzeptiert, kann durchaus seine Freude haben an den traumverhangen Bildern und vor allem an der Atmosphäre dieses Films. Er ist eine Einladung, Jarmusch beim Schlafwandeln und freien Assoziieren zu begleiten. Es lohnt sich, sie anzunehmen. llll

(RP)
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