Von Gott und der Liebe verlassen

"Gleißendes Glück" erzählt mit Staraufgebot von einer fatalen Affäre zwischen Gewalt und Einsamkeit.

Aus dem Mund eines mehrfach ausgezeichneten Schauspielers klingen selbst die Worte "Möse" und "Fickparasit" im ersten Moment überraschend derb. Ulrich Tukur stöhnt sie in seiner Rolle als Psychologieprofessor Eduard Gluck förmlich durchs Telefon. Auf der anderen Seite der Leitung: Martina Gedeck als streng katholische und unglücklich verheiratete Helene Brindel. Sie legt auf. Der Film "Gleißendes Glück" ist ein großartiges Stelldichein der beiden Schauspiel-Asse, die ihr Können perfekt ausspielen.

Brindel wirkt blass und traurig. Sie presst ihrem Mann allmorgendlich den Orangensaft, schmiert ihm Butterbrote. Er ist cholerisch, findet, sie verkaufe sich unter Wert, und er verprügelt sie. Bis Blut fließt. Zu allem Überfluss fühlt sie sich von Gott verlassen.

Die gebeutelte, aber auf ihre Weise starke Frau hört im Radio von Gluck und sucht das Gespräch mit dem Psychologen. Der ist das komplette Gegenteil, strotzt vor Selbstbewusstsein: "Sie haben Recht, Professor Gluck, das ist mein Lieblingssatz." Erst nach und nach bröckelt die lockere und charmante Fassade. Zunächst findet sie auf seinem Rechner Sexfilme - angeblich Studienmaterial. Als er dann sprichwörtlich alle Hüllen fallen lässt, offenbart er ihr im heftigsten Pornosprech seine sexuellen Fantasien.

Sie ist empört, bricht den Kontakt ab. Nach langer Zeit geht sie wieder in die Kirche und betet: "Hast du das gemacht?" Er schreibt ihr Briefe: "Ich habe vor, normal zu werden. Das klingt beunruhigend, nicht?" Mit der Zeit wird das Verhältnis zwischen den beiden dann auch wieder inniger. Irgendwann schneidet er ihr die Schamhaare. Unweigerlich werden die Zuschauer mit den Fragen konfrontiert: Wie viel Anstand muss zwischen zwei Menschen herrschen? Wie viel Tabubruch ist moralisch erlaubt? Und welche Rolle spielen dabei Glaube und Religion?

Tukur und Gedeck spielen auf Augenhöhe. Regisseur Sven Taddicken, der das Drehbuch nach dem Roman von Alison Louise Kennedy schrieb, setzt die Kontraste gut in Szene: Brindel lebt auf dem Land, zwischen Lattenzaun und Obstbäumen. Die Treffen mit Gluck finden in Großstädten statt, in großen Foyers und vor Sexshopschaufenstern.

Spannend sind die Details zu beobachten: Wann zum Beispiel lässt Brindel es zu, dass Gluck ihre Hand berührt? Zwischen den Zweien entspinnen sich auch wunderbare Konversationen, etwa im Publikum vor einer Bühne mit verschlossenem Vorhang. Sie: "Was ist das hier?" Er: "Im Moment noch nichts. Aber gleich wird es moderner Tanz sein."

Während es zwischen den beiden immer besser läuft, zerbricht Brindels Ehe vollends. Bildlich setzt Taddicken das in einer Art Kampfszene um, in der allerdings die handelnden Personen fehlen. Ein Tisch geht zu Bruch, Gegenstände fallen zu Boden. Am Ende sagt Brindel: "Ich habe es durchgestanden. Ich lebe. Ich glaube an etwas."

Gleißendes Glück, Deutschland 2016 - Regie: Sven Taddicken, mit Ulrich Tukur, Martina Gedeck, 102 Min.

(dpa)
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