Vor 20 Jahren fing alles an Danke, Harry Potter!

Düsseldorf · Am Montag vor 20 Jahren wurde "Harry Potter und der Stein der Weisen" in Großbritannien veröffentlicht. Es war der Beginn einer weltweiten Erfolgsgeschichte. Eine Liebeserklärung.

Harry Potter - ein Star wird erwachsen
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Im siebten und letzten Band der Harry-Potter-Saga geht Zauberlehrling Harry mit seinen Freunden Ron und Hermine auf die Jagd nach Horkruxen. Das sind verzauberte Gegenstände, in denen Harrys Erzfeind, der schwarze Magier Lord Voldemort, Teile seiner Seele versteckt. Das soll ihn unsterblich machen.

Genau so einen Gegenstand findet Harry schließlich in der Zauberschule Hogwarts. Es ist ein altes Diadem. Harry wird in diesem Moment etwas bewusst: Er kennt das Diadem. Ein Jahr zuvor, als er ein Buch vor seinem Lehrer Snape verstecken wollte, hat er eben dieses Diadem benutzt, um das Versteck zu markieren. Potter-Autorin Joanne K. Rowling erwähnte das damals in einem Nebensatz, einem scheinbar bedeutungslosen Nebensatz. Denkste! Die Frau wusste — wie so oft — genau, wozu sie das schrieb.

Mein größter Potter-Moment

"Das ist doch nicht zu fassen! Das glaube ich nicht! Unmöglich!" Ich brülle diese Sätze in meinem Zimmer. Es ist 3 Uhr nachts, "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" ist gerade auf Englisch rausgekommen, und gleich nach dem Kauf habe ich angefangen, es zu verschlingen. 20 Minuten lang kann ich mich nicht beruhigen und auch heute noch, wenn ich das Buch zum gefühlt 29383. Mal lese, bekomme ich an dieser Stelle noch Herzrasen. Sogar wenn ich nur daran denke, kriege ich schwitzige Hände. Die Erkenntnis, das alles so verwoben ist in diesen sieben Zauberbüchern, dass dieser Nebensatz einmal diese Bedeutung haben würde — sie wurde mein größter Potter-Moment.

Harry Potter: Zahlen und Fakten
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Foto: Warner Bros.

Wenn Literatur, wenn eine Geschichte so etwas bei Dir auslöst — dann hat der Autor das höchste aller Ziele erreicht: Er hat seinen Leser an sich gefesselt, für immer für sein Werk fasziniert. Im Falle von Rowling wird diese Faszination, das Phänomen Potter, heute 20 Jahre alt. Am 26. Juni 1997 wurde "Harry Potter und der Stein der Weisen" in Großbritanien veröffentlicht. Von Diademen, in denen die Seele schwarzer Magier gefangen ist, war damals noch keine Rede. Rowlings Fähigkeit, eine Welt bis ins kleinste Detail zu erschaffen, sodass sie für den Leser wie eine zweite Wirklichkeit wird, entfaltet sich jedoch ab dem ersten Satz.

Für mich begann der Zauber mit 8, also ein paar Jahre nach 1997, genauer gesagt im Jahr 1999. Da waren schon drei der Harry-Potter-Bände auf dem Markt, und mein Vater brachte sie mir mit — inklusive der Hörbücher. Das war mein großes Glück, denn um ehrlich zu sein, kam ich bei den Büchern noch nicht ganz so gut mit, für eine Achtjährige sind die Potter-Bücher ganz schöne Schinken. Gelesen aber von dem in dieser Rolle grandiosen und bis heute unübertroffenen Rufus Beck war ich schnell Feuer und Flamme für das Ganze — und verschlang nach den Hörbüchern nun auch die Bücher.

Verzeihen Sie mir, wenn ich zu sehr ins Detail gehe!

Schon in den ersten drei Bänden gefiel mir dabei die besagte Verwobenheit aller Charaktere und Handlungen miteinander. Dass zum Beispiel Riddles Tagebuch vor Jahren mit Absicht bei den Malfoys platziert worden war, um eines Tages dann ausgerechnet Harry Potter in die Hände zu fallen! Dass Harry in der ersten Flugstunde Nevilles Erinnermich fängt, von McGonagall dabei beobachtet wird und dann zum Sucher im Quidditch-Team wird, weil sein Vater auch schon ein Sucher war! Und dass Lupin nur dank der von ihm und seinen Freunden selbst geschaffenen Karte des Rumtreibers, die niemals lügt, erkennt, dass Peter Pettigrew gar nicht gestorben ist! Verzeihen Sie mir bitte, wenn ich an dieser Stelle ein wenig zu sehr ins Detail gehe, aber wenn die Potter-Liebe einmal mit mir durchgeht, bin ich kaum noch zu halten. Wie klug Rowling das doch alles durchdacht hatte! Das faszinierte mich schon zu Beginn an.

Meine Potter-Faszination macht aber noch mehr aus: zum Beispiel Rowlings Art, wie sie die magische Welt, in der Harry und seine Freunde leben, gestaltet hat. Alles passt. Für alles gibt es einen Plan, eine Idee. Reisen? Das macht man mit Flohpulver, das einen von Kamin zu Kamin katapultiert — ist doch logisch, oder? Süßigkeiten werden zum Leben erweckt: Schokofrösche musst Du schnell fangen, sonst hüpfen sie weg und wenn Du echt Pech hast, ergatterst Du beim Griff in die Schachtel von "Bertie Botts Bohnen jeder Geschmacksrichtung" eine, die nach Popel schmeckt. Ein Buch über Monster sieht aus wie ein Monster und hat lange Fangzähne — und natürlich kannst Du es ganz einfach öffnen, indem Du das Buch einfach nur streichelst.

Ich möchte so gern Hermine sein

Dann wären da noch die Charaktere. Ich war und bin kein Harry-Fan und ich kenne sehr viele Potter-Nerds, die genauso denken wie ich. Der ist einfach zu selbstgerecht. Viele mögen Ron lieber, weil der so lustig ist. Ich habe mich jedoch ab der ersten Sekunde in Hermine verliebt. Ja, die ist eine Streberin. Aber die klügste, netteste, witzigste Streberin aller Zeiten. Ich wollte immer sein wie Hermine — schlau und eine treue Freundin. Eine meiner glücklichsten Potter-Erinnerungen ist, dass ich beim Hörbuch-Hören immer parallel als Hermine mitgespielt habe. Die liebsten waren mir jene Szenen, in denen sie sich am Kamin des Gryffindor-Gemeinschaftsraums für ihre Prüfungen vorbereitet hat. Dann habe ich auch selbst Pergament-Rollen gebastelt und mir vorgestellt, ich würde darauf meinen Aufsatz in Arithmantik schreiben.

Die magische Welt von Harry Potter
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Foto: dapd, JOHN D MCHUGH

Regelrecht verehrt habe ich außerdem Remus Lupin, diesen klugen, klugen Mann, der sein Schicksal, als Werwolf zu leben, so unfassbar würdevoll erträgt. Wie sehr habe ich geheult, als er am Ende des siebten Bandes starb, zusammen mit seiner Frau Nymphadora Tonks. Wie habe ich Dumbledore vergöttert! Wie unfassbar traurig war ich, als Sirius gestorben ist, wo doch endlich mal alles gut für Harry gelaufen ist.

Bloß nicht Hufflepuff!

Zugegeben: Rowling hat das echt drauf, meine Lieblingshelden umzubringen. Zum Glück ist Hermine geblieben. Ihr einziges Manko war allerdings, dass sie bei Gryffindor war. Weil: Wenn ich nach Hogwarts gegangen wäre, dann wäre ich natürlich nach Ravenclaw gegangen — das Schulhaus, in dem die Intelligenzbestien wohnen. Sie sehen: Ich habe es mit der Streberei!

Gryffindor und Ravenclaw sind übrigens die Hogwarts-Häuser, in denen die meisten Fans leben wollen würden. Einige wollen auch nach Slytherin, vermutlich weil sie das Böse ein wenig anzieht. Einig sind sich jedoch alle: Bloß nich nach Hufflepuff! Da ist man nämlich "gerecht und treu. Man hilft dem anderen, wo man kann, und hat vor Arbeit keine Scheu", wie der sprechende Hut so treffend analysiert. Im Grunde sind Hufflepuffs also sowas wie die Golden Retriever unter den Hogwarts-Schülern: treudoof und harmlos.

Eine Geschichte gegen den Hass

Harry Potter hat aber auch eine äußerst ernste Seite. Ich habe die Bücher auch immer wieder als Mahnung, andere Menschen nicht auszugrenzen, als Geschichte gegen den Hass gelesen: Immerhin baut Lord Voldemort ein System auf, in dem Muggelstämmige, also Zauberer, die aus einer nicht-magischen Familie stammen, ausgegrenzt, gefoltert, als "Schlammblüter" bezeichnet werden, die die Rasse der reinen Zauberer bedrohen. Klingelt da was?! Das ist eben nicht nur so ein Zauberei-Gedöns, Harry Potter ist düster, ernster, als man auf den ersten Blick vermuten mag.

Band für Band wurde die Dunkelheit größer, wurde es ernster — und Band für Band wurde auch ich älter, reifer. Ich hatte das große Glück, mit den Büchern aufzuwachsen. So wie sie sich weiterentwickelten, entwickelte ich mich weiter. Ich konnte mich noch auf jedes neue Buch freuen, das auf den Markt kam. Diesen Vorteil haben Jugendliche heute nicht mehr. Sie bekommen ein volles Potter-Büffet mit sieben Büchern, acht Filmen, mehreren Zusatz-Büchern, Fanartikeln und ganzen Freizeitparks geboten. Ich bin mit Harry aufgewachsen — und dafür bin ich dankbar.

Heute indes ist die Potter-Maschinerie im vollen Gange: Mit einem Theaterstück in London wird die Geschichte von Harrys Kindern erzählt, mit "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" wird das Universum in mehreren Filmen weiter gesponnen, auf ihrer Seite Pottermore.com erzählt Rowling für den, der zahlt, unbekannte Details aus Harrys Leben, und auf Twitter bekundet sie einmal im Jahr, wen ihrer Figuren sie bereut, getötet zu haben.

Mich macht das wütend. Ich habe zu oft das Gefühl, Harry Potter ist nur noch die fette Cash Cow, die dafür sorgt, dass Frau Rowling immer noch auf der Liste der reichsten Frauen der Welt auftaucht. Ich rege mich tierisch darüber auf. Aber ich kaufe natürlich alles, sauge jede Nachricht zu Harry und wie es ihm ergangen ist auf. Vermutlich müsste ich das Potter-System boykottieren, aber ich kann es nicht, zu stark ist diese Bindung an die Geschichte meiner Kindheit und Jugend, zu groß der Wunsch, den Zauber wieder und wieder zu leben.

Und dafür würden sich Zauberkräfte doch wirklich mal lohnen: Wenn ich es könnte, würde ich mir einen Vergessenszauber anhängen — damit ich das alles noch einmal neu lesen, neu erleben darf.

(lai)
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