Analyse Warum sich das Kino vor der TV-Serie fürchten muss

Düsseldorf · Seit über 100 Jahren ist die Faszination Film ungebrochen. Unterschiedlichste Arten der Ausstrahlung hat es derweil gegeben. Nun ist aber das Format selbst am Rande einer Revolution: TV-Serien nehmen dem Kino fast alle Alleinstellungsmerkmale. Dabei spielt "Game of Thrones" eine essentielle Bedeutung.

Die Lieblings-Serien unserer Redaktion
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Foto: dpa, Frank Ockenfels, Amc

Die guten alten Zeiten: Als sich Superman noch von Schnitt zu Schnitt hangelte und die Kugeln offensichtlicher denn je per (Computer-) Effekte von dem "stählernen" Körper abprallten. Das mutet alles recht simpel an, "Adventures of Superman" hat aber mittlerweile Kultcharakter. Das liegt einerseits an dem ebenso mysteriösen als auch tragischen Tod des damaligen Hauptdarstellers George Reeves, andererseits an eben jenen technischen Defiziten.

Sechzig Jahre später hat sich dieses Bild der TV-Serien drastisch geändert. Über "Raumschiff Enterprise", "Melrose Place" oder "Beverly Hills 90210", diverseste Sitcoms ("Hör' mal wer da hämmert", "King of Queens") und "Twin Peaks" hat sich das Format im 21. Jahrhundert endlich durchgesetzt. Serien sind nicht mehr Kino zweiter Klasse.

Drei wichtige Schritte waren vor allen Dingen in den vergangenen fünfzehn Jahren diesbezüglich zu bewundern. Dazu die drei passenden Serien:

Ähnlich wie bei dem Filmklassiker "Der Pate" wurde hier ein Mafiaboss samt seiner Organisation porträtiert. Hauptfigur Tony Soprano wurde als menschelnder Killer dargstellt, der sich in einer Midlife-Crisis befindet.

Hier wurden die klassischen Tugenden der Serie ausgenutzt. Innerhalb sechs Staffeln werden die "Sopranos" filetiert, die Figuren sind mehrdimensional, der Plot vielfältig. Aufwändige Action wird hier derweil größtenteils umsonst gesucht.

Was ist mit den Überlebenden des Flugs 815 passiert? Das ist die alles überragende Frage, die sich die Zuschauer von "Lost" sechs Staffeln stellen.

Samt Rück- und Vorausblenden wird hier gleich eine Gruppe von Figuren näher beleuchtet. Clever ist die Show allemal, vielleicht ein wenig überambitioniert gegen Ende hin. Aber: Macher J.J. Abrams wagte es, mit dem relativ großen Budget einige Actionszenen opulent in Szene zu setzen. Allein der Start der Pilotfolge dürfte selbst erfahrene Serienzuschauer erstaunt haben. Stars gab es zu Beginn wenige, die Darsteller wurden es im Laufe der Zeit viel mehr.

Genauso wie "Sopranos" eine "HBO"-Serie — bloß einige Zeit später. "Game of Thrones" geht geradezu öffentlich auf Konfrontationskurz mit den Kino-Blockbustern. Der Trailer mutet wie ein Kinofilm an, die Kampfszenen ebenso — schlicht die ganz Serie.

Allein die erste Staffel kostete 50 Millionen Dollar, das Budget stieg in den Folgejahren noch einmal deutlich. Zudem ist es eine Fantasy-Serie — ein derzeit beliebtes Subgenre im Kino.

"Game of Thrones" bringt die Kinoindustrie damit in Bedrängnis. Der Actionfilm ist nunmehr notgedrungen das Steckenpferd der Produktionsfirmen. Auf der großen Leinwand wird heutzutage in zwei bis drei Stunden aller Art von Bombast offenbart.

In jüngster Zeit kämpften Riesenroboter ("Pacific Rim"), Elfen ("Herr der Ringe"), Magier ("Harry Potter"), Transformers ("Transformers") oder schlicht Monster ("Godzilla") gegeneinander. Und das mit (wirtschaftlichem) Erfolg, andere Kassenschlager waren fast nicht mehr existent. Eine Liste der bisher erfolgreichsten Filme des Jahres (Quelle Box Office Mojo) bestätigt das:

Dass es dort eine tatsächliche Entwicklung des bevorzugten Genres gegeben hat, zeigt ein Blick auf die Bestenliste aus dem Jahre 1990:

Neben der Masse an Actionblockbustern neigt aber auch der teils überschaubare Anspruch zur Langeweile. Während die Optik immer weiter fasziniert, weil sie sich weiterentwickelt, hinkt der Plot qualitativ hinterher. Zwar beeindrucken Werke immer noch, aber nicht mehr in solch einer Quantität.

Der Grund dafür ist für Star-Regisseur Steven Soderbergh klar. Aufgrund des aggressiven und somit teuren Marketings sind Blockbuster lukrativer. Klingt paradox, ist aber tatsächlich so. Einziges Problem: Wenn der potentielle Blockbuster floppt, werden oft mehr als 100 Millionen Euro in den Wind geschossen, somit kommen sogar alteingesessene Produktionfirmen in Bedrängnis.

Der Status quo ärgert zwar die Kreativen, die Produzenten können sich bei Einnahmen im Milliardenbereich mit einem einzigen Werk derweil nicht beschweren. Grund zur Sorge machen lediglich die immer weiter aufstrebenden TV-Serien.

Die Filmschaffenden müssen sich mittlerweile also fragen: Was ist unser Alleinstellungsmerkmal? Lediglich Nostalgiker dürften noch Antworten finden. Mehr als einen Blu-Ray-Player, Flatscreen-Fernseher und das passende Dolby-Surround-System braucht man heutzutage für einen gelungenen Film-Abend nicht mehr.

(cfk)
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