Weltuntergang im Weißen Haus

Regisseur Roland Emmerich besinnt sich in "White House Down" auf das, was er am besten kann: Action.

Konkurrenz belebt das Geschäft, lautet ein Sprichwort. Aber wenn innerhalb kurzer Zeit zwei Filme mit demselben Inhalt in die Kinos kommen, denkt man eher an den berühmten Satz von Michail Gorbatschow: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Antoine Fuquas "Olympus Has Fallen", der Mitte Juni bei uns startete, und Roland Emmerichs "White House Down" handeln davon, dass Terroristen das Weiße Haus stürmen und ein Mann sie im Alleingang besiegt. Der Einzelkämpfer ist ein in Ungnade gefallener Leibwächter. Selbstverständlich wird er am Ende rehabilitiert. Zwischendurch wird ein kleines Kind bedroht, der Sohn des Präsidenten bei Antoine Fuqua, die Tochter des Leibwächters bei Roland Emmerich.

"Olympus Has Fallen" war ein zutiefst unangenehmer, humorloser, hurrapatriotischer Film. Niemand, der ihn gesehen hat, möchte dasselbe noch einmal mit einer anderen Besetzung serviert bekommen. Dabei beschränken sich die Parallelen auf den Inhalt – vom Ton her ist Emmerich das völlige Gegenteil geglückt. Man lacht viel und denkt zunächst, der Humor sei unfreiwillig. Die Terroristen haben sich als Putzkolonne verkleidet und einen so fiesen Gesichtsausdruck aufgesetzt, dass jeder im Weißen Haus sie durchschauen müsste.

Doch je länger der Film dauert, umso gelungener erscheint der Humor. "White House Down" ist keine Parodie, lediglich ein Actionspektakel, das von seinen Schöpfern nicht allzu ernst genommen wird. Das liegt auch am Zusammenspiel von Channing Tatum als Polizist John Cale und Joey King als seine altkluge zwölfjährige Tochter, die bei jeder Gelegenheit ihr Wissen über das ehrenwerte Haus zum Besten gibt. Mit ihrem Handy filmt sie die Terroristen und veröffentlicht die Aufnahmen auf Youtube. Wenn ihr für den Rest des Films eine Pistole an die Stirn gedrückt wird, hat man nicht wirklich Angst um sie. Überhaupt lässt Emmerich jede sympathische Figur am Leben. Er will uns nicht den Spaß verderben und hetzt auch nicht gegen andere Völker. Der Feind kommt aus den eigenen Reihen.

Vergleichsweise undankbar ist die Rolle des Präsidenten. Er ist zur Passivität verdammt. Aber dann lernt er doch noch, eine Panzerfaust zu bedienen, und Jamie Foxx absolviert seine Auftritte als Obama-Double genauso gut gelaunt wie Channing Tatum, der in keiner noch so aussichtslosen Situation sein Schmunzeln unterdrücken kann. Irgendwann wird dem Polizisten die Uniform zu eng. Er zieht sie aus und bestreitet den Rest des Films im weißen Unterhemd. Dabei kokettiert Tatum, zuletzt als Stripper in "Magic Mike" zu sehen, ganz bewusst mit seinem Image als hirnloser Pin-Up-Boy.

Emmerichs größte Leistung besteht darin, die Action und den Humor mit Kritik am Militarismus zu verbinden. Als der Präsident für tot gehalten wird, befiehlt dessen Nachfolger die Bombardierung des Weißen Hauses, trotz der dort verbliebenen Geiseln. Emmerich macht sich keine Illusionen über die Güte und Weisheit der US-Regierung. Dass der Film gut ausgeht, ist einzig und allein dem aufsässigen Einzelkämpfer zu verdanken, der sämtliche Anweisungen missachtet.

Unter den Schurken befindet sich ein zierlicher blonder Computerspezialist, der nicht nur das Alarmsystem im Weißen Haus lahmlegen, sondern auch Atomraketen starten kann. Dabei hört er über Kopfhörer Wagners "Ritt der Walküren".

Dieser Mann hat ziemlich starke Ähnlichkeit mit dem realen Bradley Manning, der soeben wegen der Weitergabe militärischer Geheimnisse zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden ist. Zu den wenigen Hollywood-Prominenten, die sich für seinen Freispruch eingesetzt haben, gehörte Maggie Gyllenhaal. Ausgerechnet sie spielt in "White House Down" die Chefin des Sicherheitsdienstes. Ironie oder Zufall? Kann es sein, dass Emmerich aus Profitgründen nach links und nach rechts schielt und es jedem recht machen will?

Ideologisch lässt er sich nicht festlegen, und das hat ihm an den US-Kinokassen geschadet. Hoffentlich ist das europäische Publikum empfänglicher für diesen Film, der Spannung mit Humor und traditionellen Heroismus mit Antimilitarismus verbindet.

(RP)
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