Burghart Klaußner "Fritz Bauer war ein heldenhafter Mann"

In "Der Staat gegen Fritz Bauer" spielt Burghart Klaußner den Mann, der die Frankfurter Auschwitz-Prozesse möglich gemacht hat.

Düsseldorf Fritz Bauer war ein Deutscher jüdischer Herkunft, überlebte die Nazi-Zeit im Exil und kehrte 1949 nach Deutschland zurück. Er wurde Generalstaatsanwalt in Hessen und setzte sich dafür ein, dass in den 60er Jahren Auschwitz-Personal in Frankfurt vor Gericht kam. Davon erzählt der neue Film "Der Staat gegen Fritz Bauer". Burghart Klaußner, 1949 in Berlin geboren, spielt die Hauptrolle.

Sie kommen Fritz Bauer in seinen Gesten, seinem Dialekt, seiner Ausstrahlung sehr nahe. Wie haben Sie sich diese Rolle angeeignet?

Klaußner Ich sah Bauer zum ersten Mal leibhaftig in einem Fernsehausschnitt, den ich bekommen hatte. Vorher hatte ich nur von ihm gelesen. Für mich, für meine Generation, war er ein Vorbild, ein zorniger alter Mann, der aus der Emigration zurückgekehrt war und beschlossen hatte, sich nichts mehr gefallen zu lassen. Als ich ihn nun sah, war ich sofort von seiner so eigenen Art fasziniert und habe sie mir wie in einem Sekundenflash angeeignet. Sozusagen eingeatmet.

Was haben Sie da gesehen?

Klaußner Das war eine hochverdichtete Körpersprache der Einsamkeit, der Widerborstigkeit. Zugleich die Gesten eines musischen Mannes, dazu Zeichen der Verdrängung, der Nachdenklichkeit. Ich dachte, das muss in der Darstellung vorkommen, sonst ist die Figur nicht komplett. Und dann bin ich in das Vorsprechen gegangen mit dem festen Vorsatz, diese Rolle zu spielen. Und so kam es dann.

So angerührt zu sein von einer Figur, die man verkörpern soll, macht das die Arbeit schwerer oder leichter?

Klaußner Für mich war es leicht. Ich fühlte mich Bauer verbunden. Er besaß Eigenschaften, die ich kenne. Ich bin bestimmt nicht so mutig wie dieser heldenhafte Mann, der nahezu im Alleingang gegen die nachfaschistische Gesellschaft in der Bundesrepublik versucht hat, Licht ins Dunkel der Nazi-Verbrechen zu bringen. Aber sein Einzelgängertum, seine Fähigkeit, Nein zu sagen, zu sagen, da mache ich nicht mit - in solchen Punkten fühlte ich mich ihm sehr verbunden.

Es gab in diesem Jahr einen Film über Hitlerattentäter Georg Elser, einen weiteren über die Frankfurter Auschwitz-Prozesse, der jetzt sogar ins Oscar-Rennen geht - ist Deutschland so weit, die Widerständigen als die wahren Helden anzuerkennen?

Klaußner Ja, so ist es. Es ist natürlich leichter, aus dem Abstand den Widerstand anzuerkennen. Ein Widerständler in der Gegenwart ist leichter zu kriminalisieren. Bauer hat in vielerlei Hinsicht heldenhaft gehandelt. Nicht nur, weil er Kriegsverbrecher dingfest gemacht hat, sondern weil er der Nachkriegsgesellschaft in Westdeutschland die Augen öffnete. Dabei war er keineswegs auf Rache aus. Ihm ging es um Reue der Täter. Er wusste, dass Opfer seelisch nicht durch Rache, sondern durch Reue geheilt werden. Allerdings hat keiner der Täter während der Zeit der Frankfurter Auschwitz-Prozesse auch nur ein Wort der Reue vorgebracht.

Ging es Bauer nicht vor allem darum, die Deutschen mit ihrer Schuld zu konfrontieren?

Klaußner Ja, das auch. Er hat im Auschwitz-Prozess mit neuesten technischen Möglichkeiten Dinge anschaulich gemacht, um dieses Menschheitsverbrechen ins Bewusstsein zu rücken. Der Justiz hat das damals nicht gepasst. Da hieß es, ein Prozess ist kein Geschichtsunterricht. Aber natürlich war er genau das.

Glauben Sie an die Macht des Einzelnen, die Gesellschaft zu verändern?

Klaußner Unbedingt. Es gibt Handlungsspielräume, und der Einzelne ist nicht ohnmächtig. Gesellschaftliche Prozesse bestehen immer aus kleinsten Schritten. Fritz Bauer hat sich ein Leben lang an seinem Thema, dem Umgang mit den Nazi-Verbrechern, abgearbeitet, auf Kosten seiner Gesundheit und unter Verzicht auf ein freieres Leben.

Der Film "Im Labyrinth des Schweigens" über die Frankfurter Auschwitz-Prozesse geht in diesem Jahr ins Rennen um den Oscar. Darin spielt Fritz Bauer nur am Rande eine Rolle, wird aber von Gert Voss dargestellt. Hat das für Sie eine Rolle gespielt?

Klaußner Ich habe diesen Film vor unseren Dreharbeiten nicht gesehen, er war noch gar nicht raus. Bauer ist dort nur eine Nebenfigur. Wir gehen einen anderen Weg. Ich war über viele Jahre mit Gert Voss befreundet. Er hat Bauer mit seiner natürlichen Autorität gespielt, als Voss-Bauer, das ist schon toll. Es gibt eben viele Wege in der Schauspielerei.

Waren die 50er Jahre eine gute Zeit für Deutschland?

Klaußner: Für manche ja.

Für wen?

Klaußner Für die, die im Wiederaufbau gute Geschäfte machen konnten. Städtebaulich war es keine gute Zeit, aus der Enge der Vorkriegsstädte wurde die Enge und Gesichtslosigkeit der Nachkriegsstädte. Aber man darf nicht vergessen, dass das vorherrschende Gefühl in den Fünfzigern die Erleichterung war, überlebt zu haben. Die Leute wollten Ruhe finden und vergessen.

Haben die Deutschen die Bauer-Lektion gelernt?

Klaußner Leider nur teils-teils. Wir erleben ja gerade, dass ein gewisser Teil der deutschen Gesellschaft unbelehrbar primitiv auf Gewalt und Ausgrenzung setzt. Das sind natürlich schlecht unterrichtete, schlecht ausgebildete, zu kurz gekommene Menschen, aber sie nehmen sich Dinge heraus, die jeder Zivilisation widersprechen. Das bleibt leider ein großes Thema. Und auch darauf muss die Kunst reagieren. Schüler sollten Fritz Bauer kennen, auch darum haben wir diesen Film gemacht.

(dok)
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