Eine Frage Des Stils Geschmackvoll reklamieren

Neulich im Restaurant: Gast 1 schneidet beherzt ein Stück vom Steak ab - und schaut unglücklich drein. Bestellt war's medium, geliefert wurde es sehr, sehr englisch. Gast 2 sagt: "Zurückgehen lassen", aber Gast 1 ist das zu peinlich - er versucht es noch mit ein paar Bissen und isst am Ende vor allem Salat und Beilagen.

Ich kann das verstehen - wer mag schon als Meckerfritze dastehen? Aber ehrlich: Schlechter Stil wäre es nicht. Wenn das Essen nicht so ist wie bestellt - also etwa beinahe vom Teller hüpft, obwohl es hätte rosa gebraten sein sollen -, dann darf man darum bitten, dass nachgebessert wird. Machen Sie beim Elektriker ja auch, wenn das Licht flackert. Rechtlich gilt ja ohnehin, dass Sie ein zerkochtes oder gnadenlos versalzenes Essen nicht hinunterwürgen müssen. Dreist oder unhöflich ist es aber auch nicht, das Thema, ja genau: anzuschneiden.

Eine Frage des Stils ist dagegen - wie eigentlich immer - der angemessene Ton. Die Service-Kraft kann nichts dafür, und der beim Steak-Braten allzu zaghaft zu Werke gegangene Koch wird Ihnen kaum absichtlich den Appetit verdorben haben. Also: Nicht laut werden (ja, bei Hunger ist das manchmal schwierig), sondern diskret und freundlich reklamieren. Im Idealfall mit aufmunterndem Lächeln; das macht die Sache für beide Seiten entspannter. Dass Sie nicht erst drei Viertel der Portion aufessen, ehe Sie sicher sind, dass etwas nicht stimmt, ist wohl selbstverständlich.

Gast 1 hat übrigens am Ende der Mahlzeit auf die Frage der Servicekraft, ob es ihm geschmeckt habe, zaghaft seine Unzufriedenheit zu Protokoll gegeben. Das halte ich aber für die weniger geschmackvolle Variante. Schließlich ist es an diesem Punkt zu spät, noch irgendetwas zu verbessern. Sie wissen schon: Bitterer Nachgeschmack!

Ihre Fragen? Bitte unter "Eine Frage des Stils" an kultur@rheinische-post.de

(RP)
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