Schauspieler starb mit 72 Gottfried Johns wunderbarer Kampf mit den Dämonen

München · Dieses Gesicht. Diese Nase ohne Ende. Dieser dürre Leib. Er passte überall hindurch und überall hinein, auch in jede Rolle. Er war das, was man "markant" nennt. 72-Jährig ist der große Schauspieler jetzt in München an den Folgen seiner Krebserkrankung gestorben.

Gottfried Johns wunderbarer Kampf mit den Dämonen
Foto: dpa

Die Stimme von Gottfried John war umwerfend, doch sie war einem ebenso wenig geheuer wie der ganze Kerl, der ganze Mensch. Deshalb galt John überall als Bestbesetzung, wenn es um ungeklärte oder gebrochene Charaktere ging, denn er schaute auf die Dinge wie einer, der Finsteres im Schilde führt oder soeben mindestens die Dämonen erlebt hat.

Dabei war der 1942 in Berlin geborene Künstler eigentlich ein Kind, das vor allem frei und sorgenlos spielen wollte. Doch die Finsternis war stets stärker gewesen. Seine Kindheit war genau das: ohne Vater, mit einer überdrehten Mutter, der das Sorgerecht entzogen wurde, ein Leben in Heimen, dann die absurde Flucht nach Paris, bald Schauspielunterricht. Kluge Regisseure erkannten ihn als das Gesicht, hinter dem sich ein Schicksal versteckte. Irgendwann in den 60er Jahren hat er auch mal in Krefeld gespielt, zog dann aber rasch weiter.

Eine Mitte schien John nie zu suchen, erst recht nicht zu finden. Deshalb konnte er so wunderbar und überzeugend an den Rändern aasen: als vom Leben geplätteter Reinhold Hoffmann in Rainer Werner Fassbinders Kolossal-Opus "Berlin Alexanderplatz"; als alkoholsüchtiger, von Spielschulden geplagter Kommissar im Krimi "Beckmann und Markowski"; als windiger, korrupter, ins Irre changierender General Ourumov im James-Bond-Film "Goldeneye" (mit einer absolut denkwürdigen Verfolgungsjagd quer durch Sankt Petersburg, hinter sich Pierce Brosnan im Panzer).

Gottfried Johns wunderbarer Kampf mit den Dämonen
Foto: WDR/NDR/Stefan Höderath

Und dann - voller Vergnügen, aber immer noch wie aus jenem Hinterhalt, aus dem auch seine Stimme feuerte - seine Darbietung des römischen Imperators im Film "Asterix und Obelix gegen Julius Caesar". Diese Rolle kennzeichnete die internationale Wertschätzung für ihn, weil die übrigen Helden zu dicksten und schönsten Teilen Franzosen waren, etwa Gérard Depardieu und Laetitia Casta. Gottfried John als Caesar: Das war ein Potenzial, auch für die Verspottung. An ihm konnte man sich abarbeiten, er fing sich alles ein, er stand da manchmal wie ein Nachtgespenst mit Cäsarenlorbeer und war unsagbar lustig.

Privat war er nicht so, sondern melancholisch. Er liebte Katzen, zelebrierte Rainer Maria Rilke, den er wunderbar las, und gab der Welt wenig Handhabe, ihn zu begreifen. Mit dem Geheimnis und der Finsternis hat er fraglos auch ein wenig kokettiert, aber dieses Spiel beherrschte er jedenfalls brillant.

Lange hat sich Gottfried John sozusagen verflüchtigt, er wollte nicht da sein, wo die anderen waren, er liebte das Ungreifbare, die Fluchtmöglichkeit, natürlich auch den Rückzug, weswegen er viele Jahre im belgischen Kelmis nahe dem Aachener Dreiländereck lebte; dort stöberte ihn so leicht keiner auf. Erst 2008 zog er mit seiner Ehefrau nach Bayern, an den Ammersee bei München. Dort ist der große Gottfried John jetzt still, ohne Verfolgung, seiner Krebserkrankung erlegen.

(RP)
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