Remagen-Rolandseck Graubners Farbraumkörper atmen

Remagen-Rolandseck · Mit farbkräftigen Bildern erinnert das Arp-Museum in Remagen an den Maler Gotthard Graubner.

Wenn der Bundespräsident dem Volk etwas zu sagen hat, wählt er einen farbigen Hintergrund. Auch dadurch kennt man den Düsseldorfer Maler Gotthard Graubner (1930-2013): als Schöpfer der beiden riesigen "Farbraumkörper", die im Großen Saal von Schloss Bellevue einander gegenüberhängen. Im Reichstag ist er ebenfalls präsent, und im nordrhein-westfälischen Landtag richtete er einen gelben Raum der Stille ein, der Angehörige aller Religionen zum Gebet einlädt. Jetzt erinnert eine Ausstellung im Remagener Arp-Museum an den Künstler und langjährigen Professor der Düsseldorfer Akademie.

Was hat Graubner mit Hans Arp zu tun, was mit dem Museum in Rolandseck? In beiden Fällen mehr, als man denken mag. Bereits in den 70er Jahren setzte er sich im damaligen Künstlerbahnhof mit Arps Werk auseinander, hörte sich Konzerte an und half beim Einrichten von Ausstellungen. Damals stand ihm der Höhepunkt erst bevor: 1982 traf er im Bahnhof Rolandseck mit dem Dalai Lama zusammen.

Die Begegnung bedeutete ihm viel, weil er 1976 eine Reise ins südasiatische Bhutan unternommen hatte und beim Besuch eines buddhistischen Klosters vollends die Kultur des Fernen Ostens aufgesogen hatte. Besonders beeindruckte ihn das meditative Tanzen der Mönche.

In Rolandseck kann man nun Graubners Lebensspuren folgen. Großformatige Bilder - er nannte sie Farbraumkörper - füllen mit Zimbeln, einer Buddha-Figur und stolaähnlichen buddhistischen Mönchsroben einen riesigen Saal, der den Bildern Raum zum Atmen schenkt.

Diesen Raum benötigen sie, denn Graubner empfand sie als atmende Gebilde, die ihre Betrachter auffordern mitzuatmen. Unter der Leinwand hatte er jeweils dicke Schaumstofflagen mit mehreren Litern Farbe getränkt und dann diese Farbe arbeiten lassen. Das Ergebnis sind scheinbar einfarbige, in Wirklichkeit jedoch durch die unterschiedlich verlaufende Farbe schattierte, sich wölbende Leinwände, in denen man sich als Betrachter verlieren kann.

Das Triptychon "Venezia" bildet den Mittelpunkt der Ausstellung: ein grünes, ein violettes und ein orangefarbenes Kissenbild, je zwei mal 1,40 Meter groß. Graubner schuf das Werk 1982 im und für den deutschen Pavillon der Biennale von Venedig, nachdem er sich zuvor bereits in zwei Ausgaben der Kasseler Documenta einen Namen gemacht hatte. Wer sich mit Muße vor "Venezia" stellt, erfährt alles, was der Künstler in diese Objekte gelegt hat. Bald glaubt man zu schweben, zum irdischen Geschehen Distanz zu gewinnen.

Die späten Kissen wirken ganz aus ihrer Farbe, in Bildern der 70er Jahre spielte Graubner zusätzlich mit der Form. "Ibiza (gesacktes Kissen)" ist ein bräunlicher Raumkörper. Er wirkt oben wie eine Leinwand, aus der überflüssige Farbe nach unten geronnen ist und dort einen waagerechten Wulst gebildet hat.

Als wir Gotthard Graubner zwei Jahre vor seinem Tod in seinem Atelier auf der Neusser Kunstinsel Hombroich besuchten, schwärmte er vom menschlichen Körper. Er sei eines der bestfunktionierenden organischen Bauwerke. Und Körper bedeute unweigerlich Raum. Körperhaft, räumlich seien auch die Farbkissen. Solche Bildersprache aber, so sagte Graubner, lasse sich nicht mit dem Verstand erfassen, man müsse sie erfühlen.

Graubner betrachtete sich als "absoluten Maler", als einen, der Bilder "ohne literarischen Anlass" herstellte. Fragte man ihn, woran er sich künstlerisch orientiere, nannte er drei Namen: "Rembrandt, Cézanne, Tizian - das sind meine Maler." An deren Werken interessierten ihn weniger die Motive als vielmehr übergreifende Kategorien wie Zeit und Raum, warm und kalt. Seine eigenen, ungegenständlichen Arbeiten stützen sich darauf, doch betonte Graubner auch ihre geistige Dimension: "Malerei ist für mich nicht nur Peinture." Solch ein Farbraumkörper ist am Ende eine Verdichtung des Lebens.

Nach dem Interview führte uns Graubner in einen Nachbarraum, wie man ihn dort nicht vermutete: eine Art riesiges Wohnzimmer, in dem große Farbkissen an den Wänden mit Zeugnissen des Buddhismus im Raum harmonierten - fast wie jetzt in Rolandseck.

(B.M.)
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