Venedig "Gravity" – trüber Auftakt der Film-Biennale in Venedig

Venedig · "Die schöne Aussicht wird es wohl nicht gewesen sein" – George Clooneys tragischer Weltraumspaziergänger wundert sich über seine Berufswahl im Eröffnungsfilm der venezianischen Biennale: dem imposanten Science-Fiction-Drama "Gravity". Gleiches dürfte auch für Robyn Davidson gegolten haben, die 1977 zu einer 2700 Kilometer langen Wanderung durch die australische Wüste aufbrach. Nur ein treuer Hund und vier weniger berechenbare Kamele waren dabei ihre Begleiter, abgesehen von gelegentlichen Besuchen des Fotografen Rick Smolan, der den Trip für die Zeitschrift "National Geographic" dokumentierte. Unter dem Titel "Tracks" ("Spuren") erschien ihr Reisebericht später auch in Buchform.

Der Amerikaner John Curran vertraut in seiner Verfilmung, die gestern den Wettbewerb am Lido eröffnete, ganz den Bildern: den Landschaftspanoramen (Kamera: Mandy Walker) und dem Gesicht in ihrer Mitte. Das gehört Mia Wasikowska, die schon einmal für Tim Burton ein Wunderland durchmaß. Blitzsauber ging es dort zu im Vergleich zum ocker-roten Staub Australiens. Leider nur haben weder die Landschaften noch das schweigende Gesicht Besonderes zu erzählen. Auch wenn die strapaziöse Reise ans Existenzielle rührt, bleibt der Blick touristisch. Doch auch die psychologische Dimension dieser intensiven Selbsterfahrung wird nicht freigelegt. Wie so oft, wenn eine Filmidee nicht abendfüllend werden will, muss eine Filmmusik die Leere füllen.

Der Weg müsste das Ziel dieses halt- und uferlosen Films sein, der da in Alice Springs beginnt und wie erwartet am Strand der Westküste endet. Der einsame Planet – wie viel näher kam man ihm aus der Ferne des Weltalls in "Gravity"! Selten hat man erlebt, dass ein Festival außer Konkurrenz mit solcher Wucht und Qualität eröffnet wurde, wie sie dieser 3D-Film des Mexikaners Alfonso Cuarón mit seiner schwerelosen Kamera erreichte. Und dabei auch dem zentralen Thema des ersten Tages, der Einsamkeit und Selbstverortung, weit näher kam.

Die dritte dieser Reisen an die Grenzen menschlicher Leidensfähigkeit kam aus Deutschland und eröffnete den Nebenwettbewerb "Orizzonti". Rick Ostermann erzählt in "Wolfskinder" vom Schicksal einer Gruppe deutscher Kinder, die 1947 von einem Dorf im russisch besetzten Ostpreußen nach Litauen fliehen. Die Brüder Hans und Fritzchen müssen sich dabei trennen, treffen wiederum auf andere minderjährige Leidensgefährten. Die stete Überlebensangst, die Not, auch die letzten Gefährten zu verlieren, aber auch das Glück des unverhofften Wiederfindens prägen die einfache, aber tragfähige emotionale Struktur dieses Fernsehfilms von HR und Arte.

(RP)
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