Bochum Gregor Schneider im Museumslabyrinth

Bochum · Der Mönchengladbacher Künstler hat in seiner neuesten Aktion dem Museum Bochum ein Röhrensystem angefügt. Seine Arbeit "Kunstmuseum" umfasst einen Schlammraum und das Archiv des Hauses - aber kein Kunstwerk.

Der Haupteingang des Museums Bochum ist geschlossen. Wer das Haus dennoch betreten will, dem bieten sich zwei Möglichkeiten. Entweder er gelangt von der linken Seite über den Personalzugang des Altbaus hinein, oder er entschließt sich, statt des Museums Bochum das "Kunstmuseum" des Mönchengladbachers Gregors Schneider zu erkunden. Das ist von der rechten Seite des Gebäudes hinter einem grauen Kassenhäuschen durch eine Röhre mit einem Durchmesser von 1,80 Meter zugänglich und bietet statt Kunst Beklemmung.

Die Röhre zwingt hochgewachsene Besucher, sich in gebückter Haltung und im Zickzackkurs durch nahezu finstere Räume zu tasten. Innerhalb des rund 100 Meter langen Röhrensystems stößt man irgendwann auf einen Behälter mit Schlamm, dann auf einen Technikraum. Schließlich wird es hell. Der Blick fällt auf winzige, schmucklose, mit jeweils einem Laptop ausgestattete Büros im Archiv des Museums. Und wenn man auf dem Parcours die letzte der schier unzähligen Türen aufgestoßen hat, kommt einem das Museum Bochum endlich wieder bekannt vor: Man befindet sich im Foyer.

Das alles mag nach ein wenig Grusel klingen, doch es ist mehr als das. Die Besucher werden nämlich im Abstand von jeweils drei Minuten nur einzeln eingelassen. Man verliert rasch die Orientierung in dem Labyrinth, weiß nicht einmal mehr, ob man sich unter oder über der Erde befindet, gerät irgendwann sogar in eine Ecke, von der man glaubt, dass es von dort nicht weiter geht - bis man nach Abtasten einer offenbar rostigen Platte feststellt, dass der Rundgang sich durch eine im Dunkel liegende Öffnung fortsetzt. Obwohl es vereinzelt Notausgänge gibt - aber wer will diese vermutlich alarmbewehrten Türen schon nutzen? -, spürt man Beklemmung, hat das Gefühl, dass man den Parcours, den man sich leichtfertig aufgehalst hat, womöglich nicht meistert. Und welchen Eindruck macht man in seiner Unbeholfenheit wohl auf das Wachpersonal, das alles über Fernsehkameras verfolgt?

Gregor Schneider, der durch sein "Haus u r" in Mönchengladbach-Rheydt bekannt wurde und immer wieder Raumsituationen geschaffen hat, die aufs Gemüt schlagen, hat in Bochum erneut ganze Arbeit geleistet. Die Floskel, dass seine Vorstellungsräume "wie Auslöser funktionieren und den Besucher auf existenzielle Weise mit sich selbst konfrontieren", entpuppt sich überraschend als wahrheitsgetreue Feststellung. Noch immer haben sich Schneiders Labyrinthe nicht abgenutzt, noch immer berühren sie diejenigen, die sich darin bewegen, durch ihr Geheimnis.

Dieses Geheimnis bezieht sich bei Gregor Schneider nicht nur auf die menschliche Existenz, sondern immer auch auf den Ort, an dem er inszeniert. Die Installation unterwandert die Rolle des Bild-Voyeurs im Kunstmuseum, und sie spielt in Bochum womöglich darauf an, dass bereits eine Schließung des Hauses aus Kostengründen zur Diskussion stand. Außerdem verweist das Röhrensystem auf das nicht weit entfernte Bochumer Bergbaumuseum, das ebenfalls über ein künstliches Tunnelsystem verfügt: Was wie ein echter Stollen wirkt, ist in Wirklichkeit seit je eine Anlage ausschließlich für Touristen.

Schneider versteht sein Projekt "Kunstmuseum" ausdrücklich nicht als Verlegung seiner für das Duisburger Lehmbruck-Museum geplanten Installation, die Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link kurzfristig absagte, weil er auf einmal glaubte, sie den Angehörigen der Loveparade-Opfer nicht zumuten zu können. Für Bochum hat Schneider innerhalb von fünf Wochen etwas Neues entworfen und verwirklicht.

Das "Kunstmuseum" ist das jüngste Ergebnis seiner Reihe von Raum-Verwandlungen seit "Haus u r". Zuletzt war in der Schau "Unter der Erde" im Düsseldorfer K 21 seine Installation "Kinderzimmer (No. 2)" von 2008 zu sehen, derzeit kann man in Pulheim-Stommeln erleben, wie Schneider die dortige frühere Synagoge in ein charakterloses Wohnhaus verwandelt hat. "totlast", die innerhalb der Ruhrtriennale für Duisburg geplante Installation, bleibt dagegen Theorie.

"Kunstmuseum" Die Bochumer Installation ist bis zum 12. Oktober geöffnet, Di.-So. 10-18, Mi. bis 20 Uhr; Eintritt: acht Euro, ermäßigt fünf Euro; Kortumstraße 147

(RP)
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