Grenzerfahrungen in Mexiko

"Leid und Leben der Sabina Rivas" erzählt vom Schicksal einer Prostituierten.

"Tijuanita" heißt der kleine Puff in Guatemala, direkt an der mexikanischen Grenze, in dem die noch lange nicht volljährige Sabina Rivas (Greisy Mena) anschafft. Vielleicht träumt sie noch stärker als die anderen Huren davon, es hier herauszuschaffen. Jedenfalls flunkern ihr die Puffmutter Doña Lita und einer von Sabinas Dauerfreiern, ein mexikanischer Konsul, fortwährend vor, sie seien mit der komplexen Aufgabe beschäftigt, ihr einen belastbaren Pass zu organisieren. Als Lohn für genügend Sexsklaverei stellt Sabina sich ein normales Leben anderswo vor - eines, in dem ihr nicht ständig Gewalt droht.

Natürlich denkt niemand daran, Sabina Papiere und die Freiheit zu verschaffen. Das Mädchen wird in "Leid und Leben der Sabina Rivas" nur immer ausgeliehen, über die Grenze hinweg nach Mexiko, um einem bestechlichen mexikanischen Offizier der Grenzpolizei in dessen Nebenjob als Zuhälter dienlich zu sein.

Wenn Sabina unterwegs von einem korrupten US-Drogenfahnder verprügelt und vergewaltigt wird, dann sind das eben kleine Misslichkeiten im profitablen Grenzverkehr. Doña Lita leistet sich durchaus ein wenig Mitleid, ja, sie empört sich über die Respektlosigkeit, aber nur, bis die Kasse stimmt. Letztlich gibt es für alles Ablösesummen, Gegengeschäfte und Abschreibungsmodelle.

Der 1954 in Mexiko geborene Regisseur Luis Mandoki porträtiert nur vordergründig ein zornig machendes Einzelschicksal. Es geht ihm um die Darstellung der allumfassenden Korruption in Mexiko und der Ohnmacht der kleinen Leute und um das Elend der Migranten, das viele Profiteure kennt. Am Beispiel einer vergleichsweise winzigen Puffoperation zeigt er die Zusammenarbeit von Behörden, Kartellen und den Gesetzlosengangs, den Maras, die mit Gesichtstätowierungen ihren Außenseiterstatus beglaubigen, aber in Wahrheit Terror im Dienst des Systems verbreiten.

Mandoki ("When a Man Loves a Woman") nutzt die Elemente einschlägiger Favela- und Grenzzaun-Thriller. Aber er wendet sie ins Pessimistische, er will eben nicht von der Errettung einer Einzelnen als Vorgriff auf eine bessere Zukunft erzählen. Zwar will ein junger Mara-Anwärter Sabina, die er von früher kennt, retten. Aber er will eben auch in seiner Gang akzeptiert werden: Und so verroht er in den Ritualen der Mara. Wenn Mandoki von Verlierern erzählt, dann gibt es auch schmerzliche Verluste.

"Leid und Leben der Sabina Rivas", Mad Dimension DVD/Blu-ray, 115 Minuten, etwa 16 Euro

(RP)
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