Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn Gurlitts Vermächtnis

Bonn · In der Bundeskunsthalle in Bonn und im Kunstmuseum Bern werden in einer Doppelausstellung erstmals Werke aus dem Kunstfund Gurlitt präsentiert.

Ein Loch in der Bluse hatte die Experten auf die Spur der Dame gebracht, vergangene Woche Mittwoch vermeldeten sie dann ihren Fund: Bei Thomas Coutures "Porträt einer jungen Frau" soll es sich um NS-Raubkunst handeln. Das Bild stammte demnach aus der Sammlung des früheren französischen Ministers und Nazi-Gegners Georges Mandel und war nach seiner Verhaftung 1940 verschwunden. Mandels Ehefrau hatte den Behörden nach Kriegsende den Verlust des Gemäldes gemeldet und ein Merkmal des Frauenportraits benannt: "Loch in der Mitte der Brust - Reparatur sichtbar". So kamen die Forscher der Herkunft des Bildes auf die Spur, das sich zuletzt im Besitz von Cornelius Gurlitt befand, in jener Sammlung also, die vor fünf Jahren in München und später auch in Salzburg beschlagnahmt worden war.

Nun werden Teile aus der Sammlung erstmals öffentlich im Kunstmuseum Bern und der Bonner Bundeskunsthalle gezeigt. Welches Ausmaß der Kunstfund damals hatte, wird daran deutlich, dass gerade einmal ein Viertel der gefundenen Arbeiten in den Häusern zu sehen ist. Fast 1600 Werke fand man nämlich seinerzeit bei Cornelius Gurlitt, die hatte der Kunsthändler-Sohn nach dem Tod seiner Eltern, Hildebrand und Helene Gurlitt, geerbt und mitunter einzelne Stücke zu Geld gemacht.

Ein Konvolut von mehr als 1200 Arbeiten aber befand sich noch in seiner Münchner Wohnung — und war wohl seit Jahrzehnten dort gelagert —, als Zollbeamte die Räume Anfang 2012 durchsuchten und die Werke beschlagnahmten. In Gurlitts Salzburger Haus fanden sich weitere Werke, darunter das Cézanne-Gemälde "La Montagne Sainte-Victoire", dessen Wert auf einen niedrigen zweitstelligen Millionenbetrag geschätzt wird. Ein zweites Prachtstück aus der Sammlung, Monets "Waterloo Bridge" entdeckte man ebendort — von Schimmel überzogen. Gurlitt hatte seinen Lebensmittelpunkt wegen einer Herzerkrankung zuletzt nach München verlagert. Die Kunstwerke in Salzburg überließ er von da an offenbar sich selbst. Vor seinem Tod 2014 vermachte der 81-Jährige die Sammlung schließlich dem Kunstmuseum Bern. Dort werden nun rund 150 Werken gezeigt, deren Besitzverhältnisse geklärt sein sollen, darunter vor allem Arbeiten der Moderne - etwa von Max Liebermann, Otto Dix und der Künstlergruppe "Die Brücke". Diese hatten die Nazis als "Entartete Kunst" diffamiert und ab 1937 aus deutschen Museen verbannt. Von Kunsthändlern wie Hildebrand Gurlitt (1895-1956) wurden sie erworben und weiterverkauft. Wobei Gurlitt auch für die eigene Kollektion kaufte.

In Bonn hingegen werden gut 250 Werke ausgestellt, deren Herkunft vielmals ungeklärt ist, die auf teilweise nebulösen Wegen Eingang in die Sammlung Hildebrand Gurlitts fanden und nun unter Raubkunst-Verdacht stehen. Denn Gurlitt hatte auch solche Werke erworben, die von verfolgten jüdischen Sammlern stammten und zu Tiefpreisen auf dem Kunstmarkt landeten. Thomas Coutures "Porträt einer jungen Frau" hängt in Bonn gleich im ersten Ausstellungsraum - ein stiller Triumph der Forscher.

Denn trotz jahrelanger Forschung ist an vielen in der Schau gezeigten Werken vermerkt: "Provenienz in Abklärung". Weder wissen die Forscher bislang, ob sie unbedenklich sind, noch das Gegenteil. Darum hat man sich bemüht, einen größeren Bogen zu spannen. Die Doppelausstellung Bonn/Bern, die "Bestandsaufnahme Gurlitt" heißt, möchte in Bonn den NS-Kunstraub und die Folgen in den Mittelpunkt rücken. Werken aus der Sammlung Gurlitt werden etwa Fallbeispiele von jüdischen Sammlern zur Seite gestellt. Vieles haben sie in Bonn zudem zu Werkgruppen zusammengefasst: Der "Expressionismus in Dresden" ist mit Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff vertreten, Edvard Munch wird Platz eingeräumt, einer Hand voll Marine-Malereien sowie Landschaftsmalereien von Louis Gurlitt, Hildebrands Großvater - Forschungsstatus: unverdächtig.

Zusammengehalten wird das Sammelsurium durch eine Zeitachse, die alle Ausstellungsräume verbindet. Beginnend mit Hildebrand Gurlitts Geburt 1895 wird seine Karriere als Museumsdirektor, Kunsthändler und Sammler mit den Geschehnissen vor allem ab 1933 verknüpft. Gurlitt habe im Nationalsozialismus "eine wichtige Wirkungszeit" gehabt, sagt der Leiter der Bundeskunsthalle, Rein Wolfs. Anfang der 1940er schwang sich Gurlitt gar zum Chefankäufer für Hitlers "Führermuseum" in Linz auf.

Einen "Nazi-Schatz", wie der "Focus" titelte, der die Beschlagnahmungen bei Kunst-Erbe Cornelius Gurlitt publik machte, sollte man in Bonn dennoch nicht erwarten. Trotz der zeitweisen Einsetzung einer "Taskforce Schwabinger Kunstfund" durch die Bundesregierung und den Freistaat Bayern und anschließende Forschungen durch eine Projektgruppe am Zentrum Kulturgutverluste wurden im Gurlitt-Bestand bislang erst sechs Werke als Raubkunst oder höchstwahrscheinliche Raubkunst ermittelt.

Die magere Bilanz ist für den Filmemacher und Buchautor Maurice Philip Remy Indiz dafür, dass sich die deutschen Behörden im Fall Gurlitt verrannt haben. Schwere Vorwürfe macht Remy den Behörden zudem beim Umgang mit dem offensichtlich überforderten Cornelius Gurlitt. "Rechtswidrig" sei die Beschlagnahmung der Werke als NS-Raubkunst 2012 gewesen, sagt Remy, der pünktlich zur Ausstellung ein Buch zum "Fall Gurlitt" auf den Markt gebracht hat.

Aufmerksam geworden waren die Behörden auf Gurlitt erstmals während einer Zollkontrolle im Zug zwischen Zürich und München 2010. Bei Gurlitt waren 9000 Euro in bar gefunden worden - was nicht strafbar ist. Daraus soll sich, so Remy, zunächst der Verdacht ergeben haben, Gurlitt könnte in der Schweiz Bilder verkauft haben. Später habe es geheißen, er habe Bilder aus der Schweiz nach Deutschland eingeführt, ohne dafür fällige Steuern abzuführen. Gurlitt hätte sich so der Steuerhinterziehung schuldig gemacht. Alles spreche dafür, "dass der Tatverdacht konstruiert wurde, um die rechtlichen Grundlagen für eine Durchsuchung der Wohnung in München und des Hauses von Cornelius Gurlitt in Salzburg zu schaffen", schreibt Remy.

In Bonn dazu: nichts. Man hätte sich ein, zwei erhellende Worte zu den Umständen der Beschlagnahmung gewünscht. Vielleicht wird das einmal ein Fall fürs Deutsche Haus der Geschichte - ein Nachbar der Bundeskunsthalle.

(kl)
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