Kurzkritik Halluzinationen mit Massive Attack

Wer sich auf ein reguläres Konzert der englischen Trip-Hop-Band Massive Attack gefreut hatte, wurde an diesem Abend enttäuscht. Mit dem BBC-Filmemacher Adam Curtis wollten die Musiker das Konzept eines Popkonzerts im Programm der Ruhrtriennale neu bestimmen – zu einer "kollektiven Halluzination". Elf transparente Leinwände pferchten das Publikum in ein 270-Grad-Videopanorama, die Bandmitglieder spielten hinter den Projektionen und waren meist nur als Silhouetten zu erahnen. So trat auch die Musik zurück hinter ein gewaltiges Panoptikum aus vielen Archivbildern, das ein Bild der Welt in der permanenten Krise zeichnet. Basierend auf eigenen Blogeinträgen verschränkt Adam Curtis über Biografien wie die des sibirischen Punkmusikers Jegor Letow, der Pop-Art-Künstlerin Pauline Boty oder des Immobilien-Tycoons Donald Trump das Schicksal der Kalte-Kriegs-Gegner Sowjetunion und USA von 1964 bis heute.

Curtis' These: Der Wille zur visionären Gestaltung der Welt ist mit dem Zusammenbruch des Ostblocks abhandengekommen. Niemand will etwas verändern, bloß Krisen verhindern. Robert Del Naja stellt den oft drastischen Bildern manchmal treibende Sounds zur Seite, oft covern die Musiker Songs aus der Zeit, von der die Bilder erzählen. Sie untermalen ein filmisches Ereignis, aber ihr Konzert wird selbst nicht zu einem.

MAX FLORIAN KÜHLEM

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort