Wetterbilder Heiter bis wolkig

Köln · Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum präsentiert 20 Wetterbilder aus dem Goldenen Zeitalter des holländischen Barock.

Holländische Maler hatten ein Faible für den Himmel. Dabei erwiesen sie sich als so genaue Beobachter, dass man von ihren Werken noch heute das damalige Wetter ablesen kann. Manchmal allerdings haben sie ganz bewusst ein wenig geschummelt.

Ein Sturm sieht anders aus. Hoch am dunklen Himmel braut sich zwar etwas zusammen. Aber der Mond ignoriert das Geschehen und hält, tief über dem Wasser hängend, Stellung. Sein Licht durchdringt die Wolken, trifft auf die ruhige Wasseroberfläche. Der Schaum der sanften Wellen glänzt magisch und hält die Männer am Steg davon ab, nach Hause zu gehen. Gleich neben der wie ein Leuchtturm in die Ferne weisenden Mühle tauschen zwei von ihnen sich aus. Sind sie gerade im Dordrechter Hafen angekommen? Oder geht ihre Reise gleich weiter? Auf einem der im Mondlicht erstrahlenden Segelschiffe harrt ein Matrose aus und starrt auf das Naturschauspiel vor ihm. Ähnlich wie der dritte Hutträger am Steg, der sehnsüchtig zum Horizont schaut.

Entstanden ist die atmosphärische Szenerie nicht etwa in der Romantik eines Caspar David Friedrich, sondern mitten im niederländischen Barock um 1645. Das Gemälde geht auf das Konto von Aelbert Cuyp, einem der unzähligen Maler, die den Himmel nicht mehr zur reinen Kulisse degradieren wollten. Was sie mit ihrer Neuorientierung bezweckten, zeigt jetzt das Wallraf-Richartz-Museum in der Ausstellung "Heiter bis wolkig - Naturschauspiele in der niederländischen Malerei".

Aelbert Cuyp ist unter den 20 Beispielen gleich mehrfach vertreten. Betörte seine Hafenidylle noch mit der unwirklichen Stimmung einer Abenddämmerung, widmet sich das zweite von drei Gemälden einem handfesten Gewitter. Wieder kämpft das Licht in der drohenden Finsternis ums Überleben. Der Himmel füllt zwei Drittel des Bildes mit einem golden schimmernden Blitzschlag aus, der hinter zwei Mühlen runtergeht. Die Kühe im effektvoll ausgeleuchteten Vordergrund lässt das Spektakel leidenschaftslos. Müde von den heißen Sommertagen bleiben sie liegen und schauen zu, wie das Getöse an ihnen vorüberzieht. Die Bewohner der Stadt mit der imposanten Kirche hinter ihnen nehmen den ungebändigten Einbruch der Naturkräfte wahrscheinlich weniger gelassen hin. Sie wissen aus Erfahrung, wie schnell die elektrischen Entladungen ein Feuer verursachen können. Vielleicht holt deshalb niemand das Vieh von der Weide heim.

"Gewitter über Dordrecht" ist das einzige Bild, das nicht aus der hauseigenen Sammlung stammt. Nein, im bescheidenen Hintergrund bleiben meteorologische Phänomene hier nicht mehr. Das Wetter ist kein schmückendes Beiwerk, sondern Akteur und zugleich auch das entscheidende Tor zu einem narrativ aufgeladenen Bühnendrama, wie etwa auch auf Jan Theunisz Blanckerhoffs Beitrag "Bewegte See vor der Küste", der sich dann doch an einem Sturm ergötzt. Der Wind zwingt die Segel eines Schiffs beinahe in die Knie. Bevor es so weit ist, suchen die Seeleute mit ihrer Ladung hektisch das Weite. Eigentlich eine Alltagsszene, die mitten hinein führt in eine filmreife Eskalation.

Der "Strand mit Fischhändlern", den Simon de Vlieger ins Visier nimmt, lässt die Gemüter wieder zur Ruhe kommen. Er entführt in eine typisch niederländische Landschaft mit reichlich Sand und weiten Dünenhügeln. Ist ein Ort wie dieser heute vor allem von Sonnenanbetern im Urlaubsmodus belagert, dient er de Vlieger noch als Treffpunkt für profanen Tauschhandel. Die Nachfrage nach frischem Fisch ist groß, trotz der bedrohlichen Wolkenformationen, die sich über der Menge mit den Körben und Pferdekarren ausbreiten.

Nicht weniger groß war damals auch die Nachfrage des aufblühenden Bürgertums nach Landschaftsbildern. Es herrschte ein regelrechter Boom, der unter den konkurrierenden Malern des Goldenen Zeitalters den Ehrgeiz anstachelte. Menschenleere Stadtpanoramen inmitten von Feldern und Wäldern stiegen im 17. Jahrhundert zum bildwürdigen Sujet für Heimatliebende auf. Und weil es irgendwann so viele von ihnen gab, konnte etwas Wetterwirbel nicht schaden.

Bei dem noch im 16. Jahrhundert geborenen Marten Rijckaert aus Antwerpen ist es eine mythologische Fährte, die für Nervenkitzel sorgen soll. Der vom Sonnenrad ins Meer stürzende Ikarus rast in den Tod, während sich unter ihm eine Landschaft auftut und Bauern seinen Niedergang mit offenen Mündern bestaunen. Solch unrealistische Dramaturgie wurde ein Jahrhundert später belächelt, boten doch Maler wie Dirck Stoop längst fotografisch genaue Ausflüge in den Süden an. Die "kleine Eiszeit" geizte nicht mit klirrenden Temperaturen. Der Süden war Verheißung auf ein bisschen Wärme. Stoops "Mittelmeerhafen" versetzt den Betrachter ins quirlige Geschehen. Ein Hund springt aus dem rechten Bildrand, ein Reiterpaar begutachtet neben ihm die Architektur der Hafenfestung. Auf den Schiffen wehen Flaggen aus aller Herren Länder, weswegen dunkelhäutige Gestalten mit Turban nicht weiter auffallen. Noble Kutschen warten auf die Ankunft von neuen Waren. Oder brechen die feinen Leute vielleicht zu einem Trip in die Ferne auf?

Ohne Wolken kommt auch dieses Bühnenstück nicht aus. Sie sind wohlgenährt, bewegungsfreudig und bereit zum stillen Rückzug. Jeden Moment kann die Sonne die Oberhand gewinnen und die Himmelskontraste hinter sich lassen. Der Weg ist dann frei in eine nüchtern betrachtete, aufregend fremde Welt.

(RP)
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