Buch "Die letzten Tage Europa" Henryk M. Broder in der Rolle des Europakritikers

Henryk M. Broder mag Europa gar nicht. Falsch: Europa mag der in Polen geborene und in Deutschland lebende Jude, Sohn einer österreichischen Mutter und eines russischen Vaters, sehr wohl. Nur mit der Europäischen Union hat er so seine Schwierigkeiten. Und als wir ihn auf der Frankfurter Buchmesse treffen, erscheint er bestens vorbereitet: mit einem programmatischen T-Shirt in Europa-Blau, auf der Brust steht Schengen, und um diesen symbolträchtigen Ortsnamen herum ist ein dicker Stacheldraht gewunden. Es ist seine auch zynische Kritik auf einen Völkerbund, der nach seinen Worten Grenzfreiheit propagiert und Armutsflüchtlinge ersaufen lässt. Wo es dieses ungewöhnliche T-Shirt zu kaufen gibt? Nirgendwo, sagt Broder. Das habe ich selbst anfertigen lassen; "doch wenn es ein Erfolg wird, gehe ich damit in Produktion", sagt er schelmisch.

Der Titel seines neuen Buches hat vor dem Hintergrund des Flüchtlingsdramas vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa einen beängstigend prophetischen Charakter: "Die letzten Tage Europa — Wie wir eine gute Idee versenken" (Knaus, 19,99 Euro). Und abgebildet ist darauf der Untergang der Titanic.

Broder empfindet die vielen kleinen und großen Verordnungen der Europäischen Union als entmündigend; und er verachtet die sogenannten Berufseuropäer, die Technokraten also. Die EU ist für kaum mehr als eine Glaubensgemeinschaft, eine "eine Sekte" gar, die, so Broder, jeden Kritiker wie ihn gleich als Häretiker diffamieren. Was er sich wünscht: ein Moratorium, eine Auszeit, um noch einmal alles zu bedenken. Was er glaubt: Dazu wird es niemals kommen. Was bleibt? Zaudern? Auf keinen Fall. Darum meckert er wortreich und laut — über das "Diktat der Alternativlosigkeit".

(los)
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