Nobelpreis-Verleihung in Stockholm Herta Müller ausgezeichnet

Stockholm (RP). Schwedens König Carl XVI. Gustav hat der deutsch-rumänischen Schriftstellerin in Stockholm den Nobelpreis für Literatur übergeben. In der Laudatio wurden ihre sprachliche Energie und ihr Widerstandsgeist hervorgehoben.

 Die Urkunde in Händen: Herta Müller und ihr Nobelpreis für Literatur.

Die Urkunde in Händen: Herta Müller und ihr Nobelpreis für Literatur.

Foto: SCANPIX-SWEDEN, AFP

Die Anspannung war ihr anzusehen, aber auch die Freude: Aus den Händen von Schwedens König Carl XVI. Gustav hat die deutsch-rumänische Autorin Herta Müller gestern während einer feierlichen Zeremonie in Stockholm den Nobelpreis für Literatur entgegengenommen. Die Auszeichnung ist mit umgerechnet rund 970 000 Euro dotiert.

Jury-Mitglied Anders Olsson sagte in seiner Laudation auf Herta Müller: "In ihrer Prosa findet sich eine sprachliche Energie, die uns von Beginn an mit einbezieht. Es steht etwas auf dem Spiel, bei dem es um Leben und Tod geht. Wir spüren das schon an der Temperatur, dem kurzen Atmen, dem markanten Detail, an allem, das angedeutet wird, aber ungesagt bleiben muss. Diese Energie kommt aus der Weigerung, das zu akzeptieren, was ist. Herta Müller wählt den Widerstand als Methode, dabei dem österreichischen Autor Thomas Bernhard eng verwandt. Aber ihr Werk wurzelt stärker als Bernhards im Selbsterlebten."

Die in Berlin lebende Schriftstellerin wurde unter anderem für ihren 2009 erschienenen Roman "Die Atemschaukel" ausgezeichnet, der vom Leiden der verfolgten deutschen Minderheit im Rumänien der Nachkriegszeit handelt. Die 56-Jährige zeichne "mittels Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit", begründete die Schwedische Akademie im Oktober ihre Entscheidung.

Zu diesem Werk sagte Olsson nun in seiner Laudatio: "Mit unendlichem Einfühlungsvermögen und unsentimentalem Blick setzt sie ihr Gegen-Exil in dem großen Roman 'Atemschaukel' fort. Auch hier gelingt es ihr, in stärkerer Abhängigkeit von dokumentarischem Material als vorher, die Anschaulichkeit der Prosa mit der Schockwirkung des poetischen Bildes zu vereinen."

Und dann wandte sich Olsson direkt an Herta Müller und sagte auf Deutsch: "Liebe Herta Müller. Sie haben großen Mut gehabt und provinzieller Unterdrückung und politischem Terror kompromisslos Widerstand geleistet. Es ist der künstlerische Gehalt dieses Widerstands, für den Sie diesen Preis verdienen. Ihr Werk ist ein Kampf, der weitergeht und weitergehen muss, eine Form des unwiderruflichen Gegen-Exils. Und obwohl Sie gesagt haben, dass Sie das Schreiben vom Schweigen und Verschweigen gelernt haben, haben Sie uns Wörter gegeben, die uns unmittelbar und tief ergreifen ­— mit dem Schweigen, über dem Schweigen. Ich möchte die wärmsten Glückwünsche der Schwedischen Akademie aussprechen, wenn ich Sie jetzt auffordere, den Nobelpreis für Literatur aus der Hand Seiner Majestät des Königs entgegenzunehmen."

Müller wurde am 17. August 1953 im rumänischen Nitzkydorf als Angehörige der deutschen Minderheit der Banater Schwaben geboren. Weil sie sich weigerte, mit dem rumänischen Geheimdienst zusammenzuarbeiten, wurde sie 1979 als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik entlassen. Ein Publikationsverbot folgte. 1987 verließen sie und ihr damaliger Ehemann, der Schriftsteller Richard Wagner, Rumänien gen Westdeutschland. In Stockholm ergriff die Autorin selbst entsprechend der Traditionen der Nobelpreisverleihungen nicht das Wort.

(RP)
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