Nürnberg Hitlers Architekt gab sich als Büßer

Nürnberg · Das Dokumentationszentrum Nürnberg entzaubert die Legende Albert Speer.

Die fünf Buchstaben "S P E E R" wirken bombastisch - und sie stehen in einem monumentalen Umfeld, den Bauten von Albert Speer (1905-1981). Er hat das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg geplant. Heute ist es die größte bestehende Ansammlung seiner Architektur in Deutschland und ein Ort, um sich mit der Geschichte der NS-Diktatur auseinanderzusetzen. Fakten sollen Legenden widerlegen. Nun tut das Nürnberger Dokumentationszentrum genau das in einer Sonderausstellung mit dem Architekten Albert Speer.

In der Ausstellung sprechen die Quellen. Das heißt ganz zu Beginn: Albert Speer selbst. "Sie müssen - ob sie es wollen oder nicht - der Geschichte des netten Onkels zuhören", sagt Kurator Alexander Schmidt. In den fünf im Kreis aufgestellten Buchstaben werden Videosequenzen aus den vielen Interviews gezeigt, die der NS-Grande seit 1966 gab, nachdem er seine Haftstrafe von 20 Jahren aus den Nürnberger Prozessen verbüßt hatte. Speer hat, so sieht es der Chef des Dokuzentrums, Florian Dierl, "in geradezu idealtypischer Weise den Typus der bürgerlichen Funktionärselite" verkörpert. Außerdem habe er als einer der wenigen sein Urteil aus den Nürnberger Prozessen anerkannt, auch wenn er rechtliche Mängel gesehen habe, ergänzt Kuratorin Martina Christmeier. Er habe sogar pauschal die Verbrechen eingeräumt, ohne persönliche Schuld zu bekennen. So habe er den geläuterten Büßer geben können. Viele Deutsche sehnten sich damals nach genau dieser Haltung: Man habe zur NS-Zeit nur seine Arbeit in Industrie und Verwaltung gemacht. Jedoch nichts von den Gräuel gewusst, so Magnus Brechtken.

Speer hatte ein Unterstützer-Netzwerk, so die Schau. Schon in der NS-Zeit habe er es sich aufgebaut. Doch es finden sich auch überraschende Namen aus der Nachkriegszeit. So wird Nazi-Jäger Simon Wiesenthal genannt. Er war wie Speer ebenfalls Architekt, erhielt Spenden von der ehemaligen NS-Größe. Bei Auftritten in den USA beschreibt Wiesenthal den Deutschen als Kriegsgegner und entlastet ihn gegenüber Kritikern.

Die wirkliche Entzauberung der Legende nehmen dann Wissenschaftler in Videointerviews vor. Auf den Schreibtischen vor ihnen liegen belastende Dokumente. Es wird gezeigt, dass der ehemalige Mitarbeiter Speers, Rudolf Wolters, in Chroniken aus den Speer-Dienststellen nachträglich belastende Passagen entfernt hat. Die veränderten Dokumente wanderten sogar in das Bundesarchiv in Koblenz. Ebenfalls belegt wird, wie Speer Juden in Berlin schon vor den Novemberpogromen wegen seiner Baupläne für die Reichshauptstadt umsiedeln wollte oder dafür sorgte, dass KZ-Insassen etwa in Mittelbau-Dora zu Zwangsarbeitern für die Rüstungsindustrie wurden.

Info "Albert Speer in der Bundesrepublik. Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit"; 28. April bis 26. November im Nürnberger Dokumentationszentrum; montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr; samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr

(kna)
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