Hannover Perfektes Timing: Igor Levit spielt Bachs Klavier-Partiten

Hannover · Die Zeiten, in denen man bei jedem Musiker, der Werke von Johann Sebastian Bach spielte, automatisch den großen Glenn Gould in den imaginären Zeugenstand rief, sind gottlob vorbei. Gould ist zwar immer noch das Maß vieler Dinge, aber es gibt noch andere Pianisten, die etwa in der Welt der sechs großen Bachschen Klavier-Partiten traumwandlerisch sichere und einfallsreiche Gestalter sind.

Murray Perahia oder András Schiff wären da unter den Meistern von heute zu nennen. Jetzt reiht sich Igor Levit ein, dessen Karriereweg zu den ganz Großen man derzeit beinahe atemlos begleitet. Der 1987 im russischen Nischni Nowgorod geborene Künstler spielt diese sechs Meisterwerke mit einer Intelligenz, die etwas Spektakuläres besitzt.

Intelligenz - das klingt nach Akademie und Konservatorium, nach akkurat gescheitelt und brav gearbeitet. Das ist es aber ganz und gar nicht. Vielmehr spürt man, dass da einer diese Musik völlig von innen verstanden hat, sich aber gleichzeitig von dieser Erkenntnis befreit, um sich ein gewisses Maß an Spontaneität und Verblüffungsreichtum zu gestatten. Man höre sich die (fast weltabgewandt langsam vorgetragene) Gigue der a-moll-Partita BWV 827 bei 2:56 Minuten an: Wie Levit da ein Crescendo empfindet und aus der Tiefe des Raums entwickelt, das ist atemberaubend. Die FAZ bescheinigte ihm vor einiger Zeit (noch vor Levits Examen),"einer der großen Pianisten dieses Jahrhunderts" zu sein. Dagegen lässt sich, zumal nach Kenntnisnahme dieser Platte, nur schwer etwas einwenden.

Für jede einzelne Partita findet Levit, der seit langer Zeit in Hannover lebt, ein eigenes Timbre, aber er unternimmt keine Parforce-Touren, um auf Teufel komm raus eigenwillig zu sein. Über allen großartigen Details liegt ein perfektes Timing, eine Erzähler-Souveränität, die einen wirklich beeindruckt.

(RP)
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