Kleve Im Kurhaus Kleve ist Jüppken Beuys präsent

Kleve · Einmal ins Atelier des Kunst-Rebellen schauen oder die Kühe von Ewald Mataré bestaunen. Vor 20 Jahren wurde das Museum eröffnet.

Man fährt nicht einfach mal so ins Museum Kurhaus Kleve. Dabei ist ein Ausflug an den unteren Niederrhein höchst erbaulich. Jetzt, da das an Schätzen reiche Haus 20. Geburtstag feiert und Direktor Harald Kunde fünf Jahre die Institution leitet, sprechen viele Gründe dafür, einmal nach Kleve aufzubrechen. Der Weg allein ist beglückend, auf den Landstraßen zeigt sich pure Natur von ihren schönsten Seiten. Der Mais steht jetzt hoch, Erika-Felder leuchten purpurfarben in der Mittagssonne. Freilaufende Gänse bewachen alte Höfe, was man den Tieren nicht danken wird. Kurz vor Kleve stimmt der Landmaschinengroßhandel Beuys auf den Besuch ein.

Denn Joseph Beuys, in Kleve Jüppken (und in Düsseldorf Jüppchen) gerufen, ist präsent. Im Museum ist sein einziges authentisches Atelier erhalten, 1957 bis 1963 hat er in den übersichtlichen kalten Räumen gearbeitet. In Kleve durchlebte Beuys Depressionen, hier stellte er Bewerbungsmappen für die Düsseldorfer Kunstakademie zusammen und entwickelte die Grundlagen seines erweiterten Kunstbegriffes. "Beuysianer bin ich nicht", sagt Museumsdirektor Harald Kunde (55). Doch Beuys-Fans könnten in Kleve fette Beute machen,

Das vor 20 Jahren fast gleichzeitig eröffnete Museum Schloss Moyland besitzt ebenfalls viel von Beuys, zahlenmäßig ist es dem Kurhaus überlegen. "Doch wir haben Unikate des Frühwerks, die es sonst nirgendwo gibt auf der Welt", sagt Kunde. Zum Beispiel eine Büste aus Ton, die einen spätromantischen Jüngling mit den Zügen von Beuys zeigt. Kundes Kommentar dazu: "Der exemplarische Schmerzensmann der deutschen Nachkriegskunst - ganz wunderschön".

Ewald Mataré war Beuys' Lehrer und ein durch die Jahrzehnte des beginnenden 20. Jahrhunderts geworfener Künstler, von dem bedeutende Skulpturen und Auftragsarbeiten in unserer Region vollendet wurden. Von Mataré sind innerhalb seines Nachlasses die Tierskulpturen in reicher Zahl ausgestellt, sogar die seltenen aus Holz. So wie es Mataré einst die Kühe und Pferde angetan hatten, so sind sie heute für viele Museumsbesucher gute alte Bekannte, "Dauerbrenner", nennt sie Kunde. Daneben gibt es im Kurhaus eine schlanke, hochaufragende hölzerne Mutter-Kind-Gruppe, an der der Aachener Künstler über Jahrzehnte hinweg gearbeitet hat. Sie blieb unvollendet. Ergreifend ist sie.

Der Sprung durch Jahrhunderte in der Kunstgeschichte ist in Kleve möglich, exemplarische Bestände gibt es von der Spätgotik über die Zeit des Barock bis zur Gegenwartskunst. Zu den Schätzen gehört auch einiges rund um Katharina von Kleve, der Herzogin von Geldern. Um 1430 hat ein niederländischer Künstler ihr Stundenbuch ausgemalt. Ein Kabinett wurde ihr zu Ehren eingerichtet, darin ausgestellt sind Faksimiles von Einzelblättern jenes privaten Gebetbuches.

Die Sammlung von Gegenwartskunst ist nicht weniger aufregend als das, was die historischen Abteilungen bereithalten. Man erhält Einblick in ausgesucht qualitätsvolle Arbeiten von Konzeptkunst, Fotokunst, zeitgenössischen Installationen, Bildhauerei und Minimal Art. Die Düsseldorfer Photoschule ist breit vertreten, dazu Franz Gertsch mit seiner betörenden "Silvia"; Richard Long hat seine spektakuläre Bodeninstallation in der Säulengalerie ausgebreitet, Paloma Varga Weisz dominiert einen Raum allein mit ihrer dramtischen Galgenfigur. Und über alle Etagen ziehen sich die Interventionen des farbtupfenden Guiseppe Penone.

Kunde sagt, "Wir sind nicht Mausoleum, sondern Museum", bringt moderne Sprengsel in altmeisterliche Präsentationen ein. Sein Lieblingswerk ist ein Handtuchhalter mit Liebespaar, geschnitzt um 1535, flankiert von einem weiteren Paar. Himmlische und irdische Liebe. In der Folge der Räume erlebt man die klassizistische Architektur des einstigen Kurhauses von Bad Cleve als anregend. Vor der Tür liegt die perfekt geschneiderte Parklandschaft. Das alles sei schön und habe ihn von Anfang an fasziniert, sagt Kunde. Das Draußen im Einklang mit dem Drinnen ist neben der Sammlung der große Trumpf des Nordpostens rheinischer Museumsjuwelen.

(RP)
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