Düsseldorf Im Schatten von Stefan Raab wächst nichts

Düsseldorf · Acht Monate sind seit dem TV-Rücktritt des Entertainers vergangen - eine ernüchternde Zwischenbilanz.

Nicht in Schlabberhemd, verwaschener Jeans und Turnschuhen kehrt Stefan Raab zurück auf die Showbühne: Bei seinem ersten Auftritt in der Öffentlichkeit nach dem Karriereende sitzt der ehemalige Entertainer im schwarzen Anzug auf einer großen Hamburger Bühne. Raab sitzt am Schlagzeug und feiert einen Gastauftritt beim Konzert von Udo Lindenberg. Etwas gespannter als gewohnt saß der Knopf um seinen Bauch. Nur eines, das war wie immer - das breite, schelmische Grinsen auf dem Gesicht des 49-Jährigen.

Ein paar Wochen ist es her, als sich Stefan Raab in Hamburg zum ersten Mal wieder öffentlich gezeigt hat. Seit er im Dezember 2015 in der letzten Sendung von "Schlag den Raab" zurückgetreten war, hatte er sich aus dem Rampenlicht zurückgezogen - ganz so, wie es erwartet wurde. Denn schon in seiner aktiven Zeit hatte Raab sein Privatleben unter Verschluss gehalten. Ob eine Botschaft hinter seinem Auftritt steckt, bleibt Spekulation und damit zweitrangig. Gebracht hat er vor allem die Erkenntnis: Der Schatten von Stefan Raab liegt nach wie vor über der deutschen Fernsehlandschaft. Auch nach acht Monaten ist kein Nachfolger in Sicht. Und der Herbst steht erst bevor.

In der ARD läuft ein Krimi, im ZDF ein Melodrama und RTL sucht den nächsten C-Promi, während zeitgleich auf Vox die "Gewinner" vergangener Castingshows um die Wette kochen oder shoppen. Auf 3sat ist wieder Thementag und Arte zeigt tschechisches Tanztheater. Und dann sind da noch die Dritten, auf denen die Krimi-Wiederholungen laufen - Tatort, meistens.

Es ist dieses immer gleiche Fernsehprogramm, das die Couchabende in vielen Wohnzimmern seit Jahren begleitet. Mit innovativen TV-Formaten "Made in Germany" trumpfte allen voran ProSieben auf: mit Stefan Raab. Seine Fernsehshow "TV total" hatte bemerkenswerte 2303 Folgen. Raab spielte Poker im Fernsehen und löste damit einen Hype aus. Seiner Einladung, Bobbahnen in einer Wok-Schüssel zu befahren, folgten Stars und Sternchen. Das Format "Schlag den Raab" hat der Entertainer in 18 Länder weltweit verkauft - und die Unterhaltungsbranche neu erfunden. Die stets hohen Einschaltquoten gaben ihm recht.

Die Zwischenbilanz nun ist ernüchternd, denn "die Fußstapfen von Stefan Raab waren zu groß", sagt nicht nur Enissa Amani in einem Interview mit dem "Hamburger Abendblatt". Mit ihrer Sendung "Studio Amani" sollte sie den Sendeplatz montags bis donnerstags am späten Abend füllen. Nach acht Folgen war im Mai Schluss. In den vergangenen acht Monaten ist in Raabs Schatten nichts nachgewachsen. Auch Joko Winterscheidt (37) und Klaas Heufer-Umlauf (32) konnten das Loch bisher nicht füllen. Ihr neues TV-Format heißt "Die beste Show der Welt" und startet bald. Sie buhlen darin um die Gunst der Zuschauer. Wie viel Superlativ wirklich in diesen Samstagabenden steckt, bleibt abzuwarten. Bisher machten eher Teenager als Familien die Zielgruppe der beiden aus. Den Musikwettbewerb "Bundesvision Song Contest 2016" wird es im September jedenfalls nicht geben, wie ProSieben mitgeteilt hat. Ersatz für "TV total" ist noch nicht gefunden.

Sportfans werden das Sommerloch kaum gespürt haben. Auf die Fußball-EM in Frankreich sind die Olympischen Spiele gefolgt. Doch es trügt nur darüber hinweg, dass die Sommerzeit endet und der Anspruch an das TV-Angebot steigt. Was macht Stefan Raab? Der "Zeit" sagte er einst, dass er einmal die Welt umsegeln wolle. Vielleicht hat er genau das bis zu seinem Auftritt in Hamburg getan - und ist jetzt bereit, das Fernsehen ein zweites Mal neu zu beleben.

(ball)
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