Düren In der Welt von Niki de Saint Phalle

Düren · Das Dürener Leopold-Hoesch-Museum zeigt einen wenig bekannten Schwerpunkt des Künstlerin: Entwürfe für das Theater.

Dass sie am Ende mit so angenehmen, poppig-bunten, drallen, aber doch wohlgeformten Nanas in die Kunstgeschichte eingegangen ist, müsste Niki de Saint Phalle eigentlich gefallen. Denn die Malerin und Bildhauerin wollte das Schreckliche im Leben überwinden. Und die Kunst war ihr Katalysator. Einmal hat sie zu Protokoll gegeben: wäre sie nicht Künstlerin geworden, dann Terroristin.

Als autodidaktische Quereinsteigerin kam sie zur Kunst, bevor sie in den 1960er Jahren ihre Riesen-Nanas in die Welt setzte und den Feministinnen später damit Munition verlieh ("Alle Macht den Nanas!"). Zuerst einmal schoss sie sich in jungen Jahren ihre angestaute Wut aus dem Bauch, indem sie auf Bilder zielte. Mit einem Gewehr feuerte das einstige Model aus einer vermeintlich vornehmen Familie auf Gipsreliefs, in die es Farbbeutel eingelassen hatte. Bei jedem Treffer ergoss sich die Farbe wie Blut oder sonstige Körperflüssigkeiten über die Leinwand. Die Genugtuung war ihr gewiss.

Doch worauf hatte sie diese Wut? Das wird man auch heute noch neugierig fragen und erfahren, dass die Rebellion von Niki de Saint Phalle eine vielfache war. Die Tochter eines französischen Adligen und einer amerikanischen Erbin wollte aus ihrer gar nicht so heilen Welt ausbrechen, in der nur Bürgerliches programmiert war und in der sie zum größten Unglück als kleines Mädchen offenbar durch den Vater missbraucht worden war. Traumatisiert ließ Niki de Saint Phalle diese Welt hinter sich, ihren Mann und die Kinder zurück. Sie tauschte die geistige Enge der McCarthy-Ära ein gegen den liberalen und der Welt zugewandten Geist der Franzosen. Von da an beschäftigte sie sich konsequent mit ihren Lebensträumen; sie wurde Jean Tinguelys Gefährtin.

Die Kunst verließ damals das Zwei- und Dreidimensionale, sie wurde performativ und benutzte als Bühne das Leben. Die Handlungsmaximen nutzten das Theatralische von Räumen und Requisiten und verbauten es in die Kunst. Die Aktionen jener Zeit beabsichtigten, mit differenzierter Wahrnehmung ein kritischeres Bewusstsein in allen gesellschaftlichen Fragen zu erreichen. Dass und wie sehr ausgerechnet Niki de Saint Phalle daran partizipierte, wurde nach sechsjährigen Studien neuerdings erst bekannt und mündet in dieser Ausstellung. Demnach gab sie Impulse und schuf Räume, sie entwarf Bühnen und schrieb am Ende ein eigenes Theaterstück mit dem Titel "Ich".

Im Leopold-Hoesch-Museum von Düren kann man der theateraffinen Künstlerin anschaulich nachspüren anhand von 100 Objekten, Modellen, Siebdrucken, Plakaten, Filmen und anderen Dokumenten. Nicht die Didaktik führt dabei Regie, sondern die farbsprühenden Figuren und die in gedrechselter Schrift aufgeschriebenen Comics von Liebe und Schmerz beleben die Museumsräume. Dazu gesellen sich die Nanas, die auf einem Bein tanzen, unter der Decke schweben oder Kopfstand machen. Es heißt, Niki de Saint Phalle (1930-2002) habe sie erfunden, von der Zeichnung ihrerschwangeren Freundin Clarice inspiriert. Mehr Körper als Kopf weisen sie auf, breite Hüften. Ihre Brüste und ihr Schoß fangen das Auge, sie sind mit Herzen und Blumen verziert, mit popartigen Mustern.

Diese Nanas sind ironische Puppen, keine weiblichen Knuddelbären. Sie haben ihre Erschafferin zur Ikone des Feminismus stilisiert, denn sie stiften an zur Reflexion über weibliche Identität. Die größte Nana aller Zeiten - eine 29 Meter lange und über den Schoß begehbare Riesenskulptur - hatte es 1966 in Schweden gegeben. Mit einem Kino im linken Arm und einer Milchbar in der rechten Brust. Wer genau hinsieht, erkennt heute noch Saint Phalles Kunst der Provokation.

(DPA)
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