Ingmar Stadelmann im Interview "Die linke Spur sollte für alles ab 200 PS reserviert sein"

Düsseldorf · Deutsche Comedians und Kabarettisten sind allesamt linke Gutmenschen, die mit der Bahn fahren? Ingmar Stadelmann fährt ein ziemlich großes und schnelles Auto und verheimlicht das auch nicht. Wie konnte das passieren?

 Hashtag Romantisches Selfie - Ingmar Stadelmann mit seinem roten Rennwagen.

Hashtag Romantisches Selfie - Ingmar Stadelmann mit seinem roten Rennwagen.

Foto: Stadelmann

Du fährst einen, man muss es so ausdrücken, fetten Mercedes. Traust du dich, das öffentlich zu sagen?

 Das vollständige Gesicht von Ingmar Stadelmann sieht so aus.

Das vollständige Gesicht von Ingmar Stadelmann sieht so aus.

Foto: Robert Maschke

Ingmar Stadelmann Ich poste ja sogar Bilder von meinem fetten Mercedes bei Instagram.

Was ist das für ein Mercedes?

Stadelmann Ein recht schneller, der die berühmten Buchstaben AMG trägt.

Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet.

Stadelmann Das bedeutet, dass ich für Mercedes-Fahrer Gott bin. AMG ist die sportliche Variante des Rentnermercedes.

Ist dieser Wagen in deinem Besitz?

Stadelmann Er ist ein wenig wie die Krim. Ich hab ihn mir einfach genommen. Wahrscheinlich muss ich ihn irgendwann wieder zurückgeben. Das nennt man dann Leasing.

Ich würde dich als linksliberalen Entertainer einschätzen. Da passt so ein Auto nicht richtig zum Image.

Stadelmann Wenn man ein schnelles Auto hat, belastet man die Umwelt weniger, weil man schneller durch ist.

Sehr witzig.

Stadelmann Komme ich nicht mit durch?

Alles über 120 ist ein Verbrechen.

Stadelmann Weil du nicht schneller fahren kannst. Das ist das Problem der Linken: Die wollen nur Dinge begrenzen, die sie selbst nicht haben, zum Beispiel Geschwindigkeit und Reichtum. Man wird ja nicht zum Linken, nur weil man sich mit Höcke anlegt. Ich bin schon eher mittig.

Was kann denn so ein Auto, was mein Ford Focus nicht kann?

Stadelmann Es ist das Gefühl des erhabenen Drehmoments.

Aha.

Stadelmann Das ist der Schub, den du hast, wenn du aufs Gaspedal drückst. Du tippelst es nur an und es katapultiert dich aus dem Sitz. Ein Orgasmus.

Was bringt dir das Auto sonst?

Stadelmann Es gibt zwei Gründe, warum ich so ein Auto fahre. Erstens: Der Steuerberater hat gesagt, ich soll einen Kostenfaktor schaffen. Zweitens: Ich fahre viel, 250 Tage im Jahr, nicht nur in urbane Zentren. Ich war auch schon auf Straßen unterwegs, wo ich dachte, das ist eine Falle. Man denkt: Da wartet jemand und schlägt dich einfach nur zusammen. Dann fahre ich über einen Berg, und dort ist das Gasthaus "Zum Löwen" und 200 Leute freuen sich.

Niemand hat so einen schlechten Ruf wie der Mercedes-Fahrer.

Stadelmann Der Mercedes-Fahrer neigt schon dazu, die Straße sehr für sich in Anspruch zu nehmen. Da ist er der Mussolini unter den Autofahrern. Wir Deutschen haben ein echt gestörtes Verhältnis zum Auto. Wir bauen die auch anders als andere Länder. Ein deutsches Auto muss aggressiv aussehen. Schau dir mal die Front an. Das soll für die Angst im Rückspiegel sorgen.

Hast du auch an dir Veränderungen festgestellt?

Stadelmann Wenn man mehr Leistung hat als die anderen, urteilt man schneller ab. Was soll das? Du kommst sowieso nicht an mir vorbei. Das Problem sind natürlich Langsam-Fahrer wie du. Leute, die mit der Attitüde die Spur wechseln: Die nächste Viertelstunde überhole ich. Die linke Spur sollte für alles ab 200 PS reserviert sein. So!

Gibt es Kollegen von dir, die ein ähnlich fettes Auto fahren?

Stadelmann Überraschend viele. Als ich in Süddeutschland war, bin ich mal an einem Audi RS6 vorbeigefahren. Das ist ein Lamborghini mit 650 PS, eingebaut in eine Audi-Limousine. Ich schaute rüber und dann war das so ein — ich nenne mal nicht den Namen — Mittelklassekabarettist. Das hat mich fassungslos gemacht. Wenn der sich so ein Auto leisten kann, was fährt dann Bülent Ceylan?

Du bist in Salzwedel aufgewachsen. Keine Stadt in Deutschland ist weiter von einer Autobahn entfernt, nämlich 60 Kilometer. Wann hast du zum ersten Mal eine Autobahn gesehen?

Stadelmann Mit 10. Ich werde nie vergessen, als wir im Golf GTI meines Vaters saßen und er das Gaspedal durchdrückte und sagte: "Ab jetzt darf ich so schnell fahren, wie ich will."

Gab es in der DDR keine Autobahnen?

Stadelmann Doch, aber das waren einfach zweispurig verlegte Platten. Die Geschwindigkeit war begrenzt, es hätte aber sowieso niemand versucht, mit einem Lada schneller als 120 zu fahren.

Wann hast du ein Interesse für Autos entwickelt?

Stadelmann Sehr früh. Mit elf hat mich meine Mutter gefragt, ob alles okay mit mir ist, weil ich immer in Autohäusern rumgelungert habe. Ich hab mich in die Autos gesetzt, hab mir die angeguckt, kannte die Prospekte auswendig.

Woher kam das?

Stadelmann Der vielversprechende Westtraum der schönen, automobilen Welt. Die Ostautos waren alle hässlich und haben gestunken, dann kamen diese Mercedesse und Audis. Da war ich wirklich ein bisschen verliebt. Ich hätte bei Domian anrufen können. Vielen Autonarren ist nicht bewusst, dass sie eine Beziehung mit ihrem tiefergelegten Golf führen.

Führst du auch eine Beziehung mit deinem Auto?

Stadelmann Ja.

Was war deine erste große Liebe im Autohaus?

Stadelmann Ein BMW-Coupé, 850i. Damals hat ein Typ in Salzwedel im Lotto gewonnen, und das Auto, das er sich gekauft hat, war mein Traumauto. Mein Kumpel und ich haben ihn dafür gehasst. Unsere Schadenfreude wuchs, als alle fünf, sechs Jahre die Autos bei ihm kleiner wurden. Heute trifft man ihn nur noch mit dem Fahrrad.

Wann bist du das erste Mal selbst Auto gefahren?

Stadelmann Mit dem Bruder meines Opas. Der war Fahrlehrer. Onkel Erich hatte eine paar besondere Tipps. Sowas wie: Aufs Ortsausgangsschild kannst du zubeschleunigen. Nur hab ich das Schild natürlich viel früher gesehen als er. Wenn ich was falsch gemacht habe, hat er mir immer ziemlich schmerzhaft ans Knie gegriffen, untermalt von einem hysterischen "Junge, was machst du denn?"

Was war dein erstes Auto?

Stadelmann Der orange Renault Twingo mit Faltschiebedach meiner Mutter. Es ist ein Wunder, dass ich noch lebe.

Warum das?

Stadelmann Als ich beim Bund war, bin ich von Salzwedel immer zur Panzertruppenschule nach Munster gefahren. Das sind 70 Kilometer Bundesstraße. Ich musste um 7 da sein und bin um 6 aufgestanden. Meine Mutter weiß bis heute nicht, dass der Twingo 140 fahren kann.

Welche Fahrten aus deiner Frühzeit sind dir noch in Erinnerung?

Stadelmann Mein Kumpel Tobias und ich haben mit dem Twingo gerne nachts im Wald Panzerschleichfahrten nachgestellt. Wir haben das Licht ausgemacht und das Dach aufgeschoben, einer hat sich hochgesetzt und aus dem Dach geguckt, der andere ist gefahren. Das haben wir so lange gemacht, bis wir gegen einen gigantischen Stein gedonnert sind.

Bist du ansonsten unfallfrei?

Stadelmann Wie definierst du Unfall?

Mit einem anderen Auto oder einem Baum kollidiert.

Stadelmann Noch nie.

Liegt das an dir?

Stadelmann Das liegt natürlich an mir, aber mittlerweile auch an dem Kontrollsystem, das mein Auto hat. Das piept bei jeder Gelegenheit. Da kann ich nicht mal die Spur wechseln, wenn jemand im toten Winkel ist.

Du bist sicher noch nie in einen Blitzer gefahren.

Stadelmann Doch. Ich werde jetzt immer nachts geblitzt. Voll unfair! Ich musste im Dezember zum ersten Mal nach 16 Jahren meinen Führerschein abgegeben.

Wie ist der Zustand der deutschen Autobahnen?

Stadelmann Kommt drauf an, wo du dich befindest. Es gibt diesen Abschnitt der A 9, wenn man von Thüringen nach Bayern fährt. Das ist, als wenn du das Universum wechselst. Zuerst ist der Teer auf der Straße vermutlich aus der Sowjetunion importiert, dann kommt Bayern mit dem High-Tech-Belag, wo du glaubst zu schweben. Ich hätte kein Problem damit, fürs Autobahnfahren zu bezahlen. Jetzt zahlen ja alle. Auch die, die sie nicht nutzen.

Hast du je einen Sanifair-Gutschein eingelöst?

Stadelmann Klar! Ich habe mir schon oft einen Kaffee erkackt. Das System ist so deutsch: Jeder muss mal aufs Klo, und wir kassieren das ab. Irritierend ist die Werbung auf der Toilette. Der letzte Gedanke, den ich da habe, ist doch: Jetzt ein Magnum!

Siehst du dich noch in 30 Jahren als Autofahrer?

Stadelmann Ja, und vor allem sehe ich mich als Autofahrer, der selbst fährt. Ich glaube, das autonome Fahren setzt sich nicht durch, weil die Leute ihre Autos selbst fahren wollen. Niemand würde doch sagen: Ab jetzt schläft der Roboter mit meiner Frau.

Momentan ist Stadelmann mit seinem Programm "Humorphob" unterwegs. Unter anderem in Solingen (10. Februar), Lingen (18. Februar), Köln (4. April) und Düsseldorf (1. Juni). Alle Termine hier.

(seda)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort