Berlin Isa Genzken legt sich mit der Kunst an

Berlin · In Berlin wird das Gesamtwerk der Konzeptkünstlerin gewürdigt.

Eigentlich wohnt die "Nofretete" ja ein paar Steinwürfe entfernt auf der Museumsinsel, ist dort mit all ihrer zeitlosen Eleganz eingesperrt in ein einbruchsicheres gläsernes Gefängnis. Doch hier, im Martin-Gropius-Bau, ist die ägyptische Schönheit gleich siebenfach geklont in Gips gegossen, bunt geschminkt, mit rotem Lippenstift und Sonnenbrille aufgetakelt und zugleich ein bisschen derangiert.

Der Betrachter muss lächeln, auch über sich selbst, denn in einer hinter der geklonten Nofretete aufgestellten Spiegelwand sieht er sein eigenes Antlitz, ist Teil des ironischen Spiels, das Isa Genzken mit der Kunstgeschichte und der Beziehung zwischen Werk und Publikum treibt: Gewissheiten in Frage und Traditionen auf den Prüfstand stellen, die Welt und die Kunst radikal neu denken und den Altvorderen die Zunge zeigen. "Fuck The Bauhaus", heißen denn auch ihre mit Austernschalen und Kunstblumen versehenen Architekturmodelle, die mit Sozialkritik wenig, mit Kunstsatire dafür umso mehr zu tun haben.

Die 1948 im beschaulichen Bad Oldesloe (Schleswig-Holstein) geborene Isa Genzken ist auf internationalem Parkett die derzeit wohl gefragteste deutsche Künstlerin. Sie hat den deutschen Pavillon in Venedig bespielt, war mehrfach Gast auf der Kasseler Dokumenta und hatte im New Yorker MoMa eine umfassende Gesamtausstellung. "Mach Dich hübsch" heißt die jetzt im Berliner Martin-Gropius-Bau eröffnete Schau, die eine Schneise durch das Gesamtwerk von Isa Genzken schlägt. Ob Film-Experimente, Beton-Skulpturen, Collage-Bücher, Röntgen-Bilder, Holz-Modelle, Fotografien, Gemälde: 150 Werke aus 40 Jahren werden nicht chronologisch geordnet, sondern durcheinandergewirbelt und thematisch verdichtet.

Immer wieder geht es ihr ums Hören, Sehen und Sprechen, um die Gründe und Abgründe von Kommunikation, von Selbstdarstellung und Manipulation. Aus Beton fertigt sie radioartige "Weltempfänger", ganze Armeen von Schaufensterpuppen gruppiert sie, angetan mit allerlei Tand und Kitsch, zu selbstverliebten "Schauspielern"; sie collagiert Hotelrechnungen, Kinokarten und Notizen zu einem abgedrehten "Reiseführer" für New York, hängt - indem sie mit den Ready-mades eines Marcel Duchamp spielt - ihre gebrauchten Kleidungsstücke ("Jacken und Hemden") an eine Wand oder schaut mit Röntgenstrahlen in ihren eigenen Kopf ("X-Ray").

Das ist oft überraschend und witzig, aber selten politisch. Nur einmal, in ihrem Entwurf für den Wettbewerb zu "Ground Zero" in New York, wagt sie ein politisches Statement und plädiert in ihrer Skulpturengruppe für eine Gedenkstätte, die weniger auf die Erinnerung als auf die pulsierende Vielfalt der Stadt zielt.

"Ich wollte schon immer den Mut haben, total verrückte, unmögliche und auch falsche Dinge zu tun", hat Isa Genzken einmal gesagt. "Mach Dich hübsch" beweist, dass ihr das eindrucksvoll gelungen ist.

(RP)
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