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Italiens Seele und seine Egoismen

Kurzweilige Landeskunde mit Porträts von Rom, Mailand und Venedig.

Die italienische Volksseele will der Journalist Corrado Augias, geboren 1935 in Rom, ergründen. Natürlich sind die Eigenarten der Italiener nicht genetisch bedingt. Augias zitiert den Philosophen Benedetto Croce (1866-1952): "Der Charakter eines Volkes ist seine Geschichte, seine ganze Geschichte". Augias untersucht die italienische Belletristik; er porträtiert Rom, Mailand, Venedig. So entsteht ein kurzweiliges Buch, das mit tiefen Erkenntnissen aufwartet.

Kontraste der extremen Art prägen die italienische Nation und erschwerten ihre staatliche Einigung; sie erfolgte ebenso spät wie die deutsche Reichsgründung. Zum "Kultbuch" avancierte der 1886 veröffentlichte Roman "Herz" des Edmondo De Amicis, der seinen Landsleuten empfahl, die Werte der Angelsachsen und Nordeuropäer zu übernehmen: hohe Arbeitsmoral, Gemeinsinn, Vaterlandsliebe, guter Wille. Südlich der Alpen seien diese Tugenden schwach entwickelt und am ehesten in der Lombardei und in Piemont anzutreffen.

Im Roman "Il piacere" (1889) verkündete Gabriele D'Annunzio das völlig andere Ideal des Lustmenschen, der weder Grenzen noch Skrupel kennt und "auch dann Geld ausgibt, wenn er keins hat". Statt beharrlich für Italien zu arbeiten, kennt dieser laute, prahlerische, temperamentvolle Typus nur die Eigensucht. Verkörpert Romani Prodi lombardische Mentalität und folgt Berlusconi dem "Il piacere"?

Heftig tadelt Augias den römischen Katholizismus, der jahrhundertelang die Modernisierung Italiens blockierte, das Land geistig zerstörte, weil er aufklärerisches Denken ablehnte.

Und erst der Süden! Bis 1860 Garibaldi erschien, wüteten hier Fremdherrschaften, die eine Rückständigkeit verursachten, die manche an Afrika erinnerte. Fast 90 Prozent der Menschen konnten weder lesen noch schreiben. In Sizilien und Kalabrien herrschten "Misstrauen ge-genüber dem Staat, Hochmut, Grausamkeit, obsessive Geheimniskrämerei". Die Krake namens Mafia wuchs und gedieh.

Völlig richtig erkennt Augias die zentrale Ursache aller Gebrechen in den "Egoismen des Kastendenkens und der Einzelinteressen". 150 Jahre italienischer Einheit änderten daran wenig. Sogar die Unternehmerklasse Mailands und der Lombardei habe die Jagd nach dem Gewinn einem politischen Engagement vorgezogen.

Tief wurzeln diese Übel in der Vergangenheit. Eben hier liegt das einzige Manko des Buches. Die Zeit vor 1800, dem Jahr der Schlacht bei Marengo, als Napoleon das alte Italien zerschlug, erörtert der Autor selten. Besonders im Mittelalter wurde die Halbinsel ruiniert. Kaiser und Päpste verhinderten jede nationale Politik; am Ende blieben Oligarchen übrig, die einander bekämpften und das Gesamtwohl Italiens verachteten.

(RP)
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